USA auf Raubzug

Er hatte sich persönlich hinbemüht: US-Außenminister Michael Pompeo warb am Donnerstag (Ortszeit) vor dem Ständigen Rat der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in Washington um Unterstützung für Juan Guaidó, der sich am Mittwoch zum »Übergangspräsidenten« Venezuelas erklärt hatte. Doch sein strahlendes Lächeln zu Beginn der Sitzung verschwand bald. Erst wurde seine Rede durch eine Aktivistin der US-Friedensorganisation »Code Pink« gestört. Medea Benjamin hielt im Saal ein Schild hoch, auf dem die OAS vor einer Unterstützung des Putsches in Venezuela gewarnt wurde. Bevor sie von Sicherheitsbeamten aus dem Saal geführt wurde, rief sie den versammelten Botschaftern zu: »Ein Staatsstreich ist kein demokratischer Übergang! Hören Sie nicht auf Minister Pompeo!«

Der Abend endete mit einer Niederlage für Trumps Chefdiplomaten, denn nur 16 der 34 Mitgliedsstaaten stimmten einer von Argentinien vorgelegten Resolution zu, nach der Guaidó als Präsident Venezuelas anerkannt werden sollte. Um eine von Pompeo »schnellstmöglich« geforderte Sondersitzung der Außenminister einzuberufen, wären 18 Stimmen notwendig gewesen, und um den Sitz Venezuelas in der OAS an Guaidó zu übertragen, sogar eine Mehrheit von 24 Stimmen.

Es ist nicht zu erwarten, dass die US-Administration nach diesem Warnschuss ihren Kurs ändert. In seiner Rede kündigte Pompeo an, dem »Volk Venezuelas« 20 Millionen US-Dollar für »humanitäre Hilfe« zur Verfügung zu stellen. Tatsächlich wird das Geld in die Kassen der Opposition fließen und kaum den Menschen zugute kommen, die unter der – durch die von Washington verhängten Sanktionen verschärften – Wirtschaftskrise in Venezuela leiden. Woher das Geld in Zeiten des derzeit in den USA wegen des Konflikts zwischen Parlament und Regierung geltenden »Shutdown« kurzfristig kommen soll, sagte Pompeo nicht.

Tatsächlich dürfte es sich nach den Plänen Washingtons jedoch um ein Nullsummenspiel handeln. Trumps Nationaler Sicherheitsberater John Bolton kündigte am Donnerstag (Ortszeit) an, dass die USA die Öleinnahmen Venezuelas an Guaidó umlenken würden. Auch die Kontrolle der von Citgo, einem Tochterunternehmen des venezolanischen Staatskonzerns PDVSA, in den USA betriebenen Raffinerien und Tankstellenkette dürfte an einen Vertreter Guaidós übertragen werden. Das britische Wirtschaftsportal S&P Global Platts berichtete bereits, Guaidó werde einen neuen Citgo-Chef einsetzen. Es ist anzunehmen, dass Washington die »humanitäre Hilfe« mit den Kosten für die Importe oder auch mit Schulden des Erdölkonzerns verrechnen wird. Ein Hindernis ist dabei allerdings, dass knapp die Hälfte der Citgo-Aktien inzwischen dem russischen Erdölunternehmen Rosneft gehören, nachdem Caracas damit 2016 Rechnungen aus Moskau beglichen hatte.

Doch die Aggression gegen Venezuela ist nur ein erster Schritt. In Miami fordert die antikubanische Mafia bereits, nach Maduro auch das »Regime« in Havanna zu stürzen. Einen Verbündeten hat sie dabei in OAS-Generalsekretär Luis Almagro. Dieser hatte schon im vergangenen Jahr gefordert, die Neuwahl der Staatsspitze Kubas und die Amtsübernahme durch Miguel Díaz-Canel nicht anzuerkennen. Damals stieß er damit auf kein größeres Echo.

Am 16. Januar kündigte das US-Außenministerium an, den Abschnitt III des Helms-Burton-Gesetzes nur noch für sechs Wochen auszusetzen. Dieses war 1996 zur Verschärfung der Blockade gegen Kuba verabschiedet worden. Das besonders scharfe Kapitel III wurde seither jedoch routinemäßig von allen US-Präsidenten alle sechs Monate suspendiert. Würde es Anfang März in Kraft gesetzt werden, könnten – wie die kubanische Regierung in einer offiziellen Erklärung warnte – Unternehmen und Einzelpersonen aus Drittstaaten, die in Kuba Geschäfte machen, vor US-Gerichte gezerrt werden. Denn von ihnen könnten dann US-Bürger Schadensersatz fordern, deren Eigentum in Kuba enteignet wurde. Und das könnten viele sein: Bis zum Sieg der Revolution vor 60 Jahren kontrollierten die USA einen Großteil der kubanischen Wirtschaft, weite Teile des fruchtbaren Grund und Bodens waren in der Hand von US-Unternehmen. Im Rahmen einer Bodenreform zugunsten der landlosen Bauern sowie als Reaktion auf die von Washington gegen das revolutionäre Kuba verhängte Blockade wurden Ländereien und Unternehmen enteignet. Heute werden die Grundstücke, Gebäude und Einrichtungen vielfältig genutzt. Havanna warnte deshalb, auf Grundlage von Abschnitt III könne »jeder beliebige Kubaner und jede beliebige Gemeinde im Land erleben, wie den US-Gerichten Eigentumsansprüche vorgelegt werden, die den von ihnen genutzten Wohnraum, ihre Arbeitsstelle, die Schule ihrer Kinder, die Poliklinik, in der sie medizinisch betreut werden, das Gelände, auf dem ihr Wohnviertel gebaut wird, betreffen«.

Die Kampagne gegen Kuba wird auch im Vorfeld des für den 24. Februar vorgesehenen Referendums über die neue Verfassung des Landes verschärft. Der im vergangenen Sommer vorgelegte ursprüngliche Entwurf war von der Bevölkerung in unzähligen Versammlungen diskutiert worden. Hunderttausende Vorschläge erreichten das Parlament, von denen unzählige in einen neuen Text einflossen, der im Dezember von der Nationalversammlung verabschiedet wurde und nun zur Abstimmung steht.

Antikommunistische Medien in Miami rufen die Bevölkerung des Karibikstaates unverhohlen auf, mit »Nein« zu stimmen, um dem »Regime« eine Niederlage zu bereiten. Das Kubanische Institut für Völkerfreundschaft (ICAP) reagierte darauf mit einem Appell an die Unterstützer Kubas: »Wir sind sicher, dass die weltweite Solidarität den Kampagnen gegen Kuba gegenüberstehen wird. Wieder rufen wir die Solidaritätsbewegung mit Kuba auf, sich zusammenzuschließen, um ihre Unterstützung für Kuba zum Ausdruck zu bringen.«