Uribe kontra Chávez

Auf »50 oder 60 Millionen« Teilnehmer hoffen die Organisatoren einer »weltweiten Demonstration« gegen den venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez, die am Freitag um 12 Uhr kolumbianischer Ortszeit (19 Uhr MESZ) zeitgleich auf »den zentralen Plätzen der wichtigsten Städte der Welt« stattfinden soll. Das Konzept der Organisatoren gleicht einer Aktion gegen die »Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens« (FARC) am 4. Februar 2008, als in Kolumbien mehrere tausend Menschen gegen die Guerilla auf die Straße gegangen waren. Auch damals war zunächst eine Gruppe im Internet-Netzwerk »Facebook« installiert worden, die dann von rechten Medien eifrig beworben wurde. So konnte der Eindruck erweckt werden, es handele sich um eine Basisinitiative und nicht etwa um eine Ak­tion der kolumbianischen Regierung.

Auch diesmal baut die Legende auf die Glaubwürdigkeit einer angeblich spontan von unten erfolgten »Mobilisierung über Facebook und Twitter«. Der als Hauptorganisator der Aktion auftretende Juan David Lacouture sagte der kolumbianischen Tageszeitung El Heraldo, die Idee sei zwischen jungen Kolumbianern und Venezolanern entstanden, die sich zuvor nicht gekannt hätten, aber über Internet in Verbindung getreten seien. »Wir sind der ganzen Verlogenheit von Chávez überdrüssig, der auf der einen Seite von Interventionismus spricht und auf der anderen Seite der am meisten interventionistische Präsident ist, der jemals existiert hat«, schreiben die Organisatoren frei von jeder Geschichtskenntnis auf ihrer in den USA unter Decknamen registrierten Homepage, »die ganze Welt ist Hugo Chávez’ überdrüssig«.

Wer »die ganze Welt« ist, die vom venezolanischen Präsidenten genug hat, zeigt sich an den wenigen prominenten Unterstützern der Aktion. So will der Chef der Putschisten in Honduras, Roberto Micheletti, in Tegucigalpa an der dortigen Demonstration teilnehmen. »Ich werde teilnehmen, und ich rufe die honduranische Bevölkerung auf, sich ebenfalls zu beteiligen, denn hier wollen wir keine Diktatoren, welcher Art auch immer«, sagte der Diktator, der sich am 28. Juni an die Macht geputscht hatte, der lokalen Tageszeitung El Impulso. Andernorts sind die Organisatoren der »weltweiten Demonstration« offenbar ziemlich schwach auf der Brust. Für Deutschland ist auf ihrer Homepage keine Aktion angekündigt, unter dem Stichwort »Österreich« wird als Kundgebungsort »Wien oder Prag« angegeben.

Trotzdem wird die Mobilisierung von den Unterstützern des venezolanischen Präsidenten durchaus ernst genommen und mit eigenen Aktionen beantwortet. So haben sich innerhalb von drei Tagen mehr als 15000 Nutzer des Netzwerks »Facebook« zu einer Gruppe »Nicht noch mehr Uribe« zusammengeschlossen und mobilisieren für Gegenveranstaltungen zu den gegen Chávez gerichteten Aktionen, teilweise am selben Platz und zur selben Uhrzeit. So wird es in Bogotá zu einer Kraftprobe kommen, wenn sich die Uribe-Gegner um 11 Uhr Ortszeit auf der Plaza Bolívar treffen, auf der sich eine Stunde später auch die Demonstranten gegen Chávez versammeln wollen.

Auch die in Venezuela geborene und in den USA aufgewachsene Rechtsanwältin und Publizistin Eva Golinger, die durch ihre Enthüllungsbücher über die geheime Finanzierung der venezolanischen Opposition durch Washington bekannt geworden ist, hat einen Aufruf für eine »weltweite Mobilisierung auf dem Weg des Friedens« veröffentlicht, um Lateinamerika zu einer »Zone des Friedens, frei von Einmischung und Militärbasen der Vereinigten Staaten« zu machen. Ihr Vorschlag lautet, ebenfalls am Freitag in Venezuela auf allen Bolívar-Plätzen sowie weltweit vor den Botschaften und Konsulaten Venezuelas Solidaritätskundgebungen durchzuführen.

Die venezolanische Botschaft in Berlin hat bereits zu einer solchen Solidaritätsveranstaltung eingeladen. Unter dem Titel »US-Militärbasen – eine strategische Bedrohung für den Frieden des Südens« wird Venezuelas Botschafterin Blancanieve Portocarrero am Freitag ab 18.30 Uhr im Salon Venezuela der Botschaft (Schillstr. 9–10, 10785 Berlin) über die Vorschläge der venezolanischen Regierung zur Friedenssicherung in der Region referieren.

Erschienen am 3. September 2009 in der Tageszeitung junge Welt