Unbequemer Zeuge: Ecuador liefert Assange aus

Ecuadors früherer Präsident Rafael Correa hat die Auslieferung des Wikileaks-Mitbegründers Julian Assange durch die Regierung seines Nachfolgers Lenín Moreno als »Verbrechen« bezeichnet, das »die Menschheit niemals vergessen wird«. Moreno sei nicht nur korrupt, sondern »der größte Verräter in der Geschichte Ecuadors und Lateinamerikas«, schrieb er am Donnerstag auf Twitter.

Moreno hatte im Wahlkampf 2017 versprochen, die von Correa initiierte »Bürgerrevolution« fortzusetzen. Davon hat er sich schnell verabschiedet. Inzwischen steckt er tief im Hintern des Imperiums und hat sich den Vorgaben aus Washington nahezu bedingungslos unterworfen. Ecuador ist heute Teil der Front gegen Venezuela und andere fortschrittliche Regierungen Lateinamerikas und wieder eine Spielwiese für Großkonzerne, korrupte Interessengruppen und US-Geheimdienste.

Eine sachliche Analyse der Vorgänge vom Donnerstag in der diplomatischen Vertretung Quitos in London stellen Correas Äußerungen trotzdem nicht dar, und die genutzten Superlative sind eher nicht haltbar. Aber die Empörung des Politikers, der als Präsident seines Landes Assange den Schutz vor der durch die USA betriebene Verfolgung gewährte, ist berechtigt. Denn was die juristischen und politischen Hintergründe des Falls angeht, hat sich seit Assanges Flucht in die ecuadorianische Botschaft im Jahr 2012 wenig geändert.

Nach wie vor droht dem Journalisten und Internetaktivisten die Auslieferung in die USA. Washington will an ihm als bekanntem Kopf von Wikileaks ein Exempel statuieren, vor allem, weil die Plattform Kriegsverbrechen der US-Truppen im Irak öffentlich gemacht hat. Nicht die Mörder und Folterer sollen belangt werden, sondern diejenigen, die über Massaker aufgeklärt haben. Seit Wochen sitzt auch Chelsea Manning – die als Bradley Manning Videos von der Tötung irakischer Zivilisten durch US-Soldaten an die Plattform übermittelt hatte – wieder im Gefängnis, weil sie sich weigert, gegen Wikileaks auszusagen.

Moreno rechtfertigt seinen Verrat damit, dass die britische Regierung garantiert habe, Assange nicht an ein Land auszuliefern, in dem ihm die Todesstrafe drohen könnte. Das ist eine erbärmliche Ausrede. Nicht nur, weil er mit der Übergabe offenbar die Verfassung seines Landes verletzt hat, die die Auslieferung eigener Staatsbürger verbietet.

Großbritannien war unter Premier Anthony Blair an Krieg und Besatzung im Irak direkt beteiligt – auch er und seine Generäle wurden nie zur Rechenschaft gezogen. London hat somit ein ureigenes Interesse daran, den lästigen Zeugen loszuwerden. Es braucht also nur eine Zusicherung Washingtons, dass man Assange nicht hinrichten werde – doch ist es besser, wenn er für den Rest seines Lebens in den Kerkern des Imperiums weggesperrt wird?

Erschienen am 12. April 2019 in der Tageszeitung junge Welt