Suche nach Frieden

Südamerikas Einfluß in der Weltpolitik wächst spürbar. Das zeigt sich dieser Tage vor allem an zahlreichen Besuchern aus dem Nahen und Mittleren Osten, die bei den Regierungen des Subkontinents Schlange stehen. Den Anfang machte vor knapp zwei Wochen der israelische Präsident Shimon Peres, der seinen brasilianischen Amtskollegen Luiz Inácio Lula da Silva dazu einlud, sich an den Friedensbemühungen im Konflikt zwischen Israel und Palästina zu beteiligen. Nach der Unterredung in Brasilia sagte Peres, die israelische Regierung sei auch zu einem »nicht perfekten Frieden« bereit, der immer noch besser sei »als die perfekte Fortsetzung des Blutvergießens und des Krieges«. Zugleich forderte er aber auch eine Absage des bevorstehenden Besuchs von Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad in Brasilien. Damit stieß er bei seinem Gastgeber jedoch auf taube Ohren. »Im Nahen Osten kann der notwendige Frieden nicht aufgebaut werden, wenn man nicht mit allen politischen und religiösen Kräften spricht, die den Frieden wollen oder sich ihm widersetzen«, beschied Lula seinem Gast. »Wir haben nichts dagegen, mit wem auch immer zu sprechen, solange aus diesen Gesprächen etwas hervorgeht, das zum Aufbau eines dauerhaften Friedens beitragen kann.«

Tatsächlich traf Ahmadinedschad am Montag in Brasilien ein. Dort forderte Lula den iranischen Präsidenten auf, die Verbindung mit den »interessierten Ländern« nicht abreißen zu lassen, um zu einer »gerechten und ausgewogenen Lösung der iranischen Atomfrage« zu kommen. Zugleich betonte Lula, dem Iran müsse ebenso wie Brasilien das Recht auf die friedliche Nutzung der Atomenergie zugestanden werden. »Beide Länder wollen eine von Atom- und Massenvernichtungswaffen freie Welt,« stimmte ihm sein Gast zu, der zugleich bedauerte, daß »verschiedene Länder ohne jeden Grund einen gegen den Iran gerichteten Diskurs verfolgen.«

Wenige Tage nach Peres und vor Ahmadinedschad hatte auch der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, Lula seine Aufwartung gemacht. Im Gespräch mit der argentinischen Tageszeitung Clarín betonte er jedoch, diese Reihenfolge sei reiner Zufall gewesen: »Ich folge nicht Peres nach Brasilien und Argentinien, und er folgt mir nicht.« Der brasilianische Präsident könne durchaus eine Vermittlerrolle im Nahen Osten übernehmen, lobte Abbas, denn er habe »vertrauensvolle Beziehungen mit beiden Konfliktparteien und außerdem gute Beziehungen mit der US-Regierung.«

Am Montag gewann Abbas in Buenos Aires auch die Unterstützung von Argentiniens Staatschefin Cristina Fernández, die nach einem Essen zu seinen Ehren das Recht des palästinensischen Volkes unterstrich, »seinen Staat und seine Grenzen zu haben und friedlich mit Israel zusammenleben zu können.« Sie unterstützte die Initiative der Arabischen Liga »Frieden für Land« und forderte stärkere internationale Hilfe für eine Lösung des Konflikts. Die UNO müsse aufhören, nur ein Ort zu sein, an dem die Staatschefs Jahr für Jahr Reden halten, die dann aber ohne Konsequenzen blieben. Gerade die USA könnten »sehr viel mehr« für den Frieden in Nahost tun, betonte Fernández.

Abbas wollte noch am Dienstag nach Chile weiterreisen, um dort mit Präsidentin Michelle Bachelet zusammenzukommen. Ein weiterer Punkt auf seinem Besuchsprogramm ist dort am Donnerstag eine Ansprache am Sitz der UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL) aus Anlaß des 1977 von den Vereinten Nationen proklamierten Tags der Solidarität mit dem palästinensischen Volk.

Die Route von Ahmadinedschad führte hingegen am Dienstag zu einem Kurzbesuch in La Paz, wo er von Boliviens Präsident Evo Morales empfangen werden sollte. Anschließend wollte der iranische Staatschef nach Caracas weiterreisen, um mit Venezuelas Präsident Hugo Chávez neue Wirtschaftsabkommen zu unterzeichnen, die bereits in den vergangenen Tagen in Teheran durch eine hochrangige Kommission von Experten beider Länder vorbereitet worden sind.

Auffällig wortkarg reagiert Wa­shington bislang auf den intensiven Reiseverkehr im früheren »Hinterhof« der USA. Bei der täglichen Pressekonferenz des State Departments erklärte dessen Sprecher Robert Wood, Ahmadinedschads Besuch in Brasilia sei eine interne Angelegenheit beider Länder. »Wir wollen aber hoffen, daß die Regierung Brasiliens einige der Sorgen ansprechen wird, die wir haben.«

Erschienen am 25. November 2009 in der Tageszeitung junge Welt