Streik gegen die Repression

Mit Arbeitsniederlegungen und Protestkundgebungen haben die Menschen in Katalonien am Dienstag gegen die Verhaftung von zwei führenden Vertretern der Unabhängigkeitsbewegung protestiert. Der Präsident der Bürgerinitiative »Katalanische Nationalversammlung« (ANC), Jordi Sànchez, und der Chef der Kulturorganisation »Òmnium Cultural«, Jordi Cuixart, waren am Montag zu einer Anhörung vor der Audiencia Nacional in Madrid erschienen. Dieses 1977 eingerichtete Sondergericht ist für die Verfolgung schwerer Straftaten zuständig. Die »beiden Jordis«, wie sie in Katalonien genannt werden, gehören jedoch keiner bewaffneten Untergrundorganisation an. Ihre Verbände haben in den vergangenen Jahren die Großdemonstrationen für die Unabhängigkeit Kataloniens organisiert. Zuletzt beteiligten sich am 11. September nach Polizeiangaben eine Million Menschen an der Kundgebung von ANC und Òmnium in Barcelona.

Die spanische Staatsanwaltschaft wirft Sànchez und Cuixart »aufrührerische Aktivitäten« vor. Es geht der Anklagebehörde um die Ereignisse am 20. September, als Einheiten der paramilitärischen Guardia Civil gegen 41 Einrichtungen, Ministerien und Privatwohnungen in Katalonien vorgingen, um das für den 1. Oktober geplante Unabhängigkeitsreferendum zu verhindern. Vor dem Wirtschaftsministerium, das mehr als zwölf Stunden lang durchsucht wurde, versammelten sich damals spontan unzählige Menschen, um gegen die Razzia zu protestieren. Sànchez und Cuixart stiegen dort auf ein parkendes Fahrzeug der Guardia Civil, um zu der Menge zu sprechen. Dies wird ihnen ebenso wie ihre Versuche, mit Polizei und Guardia Civil zu verhandeln, als »aufrührerische Tätigkeit« ausgelegt. Ihnen drohen bis zu 15 Jahre Gefängnis.

Am Montag abend ordnete die zuständige Richterin Carmen Lamela Díaz an, die beiden Aktivisten in Untersuchungshaft zu nehmen. Auch das Stellen einer Kaution lehnte sie ab. Noch am selben Abend wurden sie in das Gefängnis Soto del Real bei Madrid gebracht.

Sofort nach Bekanntwerden der Inhaftierung der »beiden Jordis« kam es in ganz Katalonien zu spontanen Protesten. Am Abend hörte man überall den Lärm von Holzlöffeln auf Kochtöpfen, die Menschen standen in den Fenstern und schlugen auf das Geschirr. In verschiedenen Gemeinden versammelten sich die Menschen vor Rathäusern und Polizeiwachen.

Am Dienstag mittag kam es landesweit zu Arbeitsniederlegungen. So versammelten sich die Hafenarbeiter in Barcelona an den Kais zu Protestkundgebungen. Barcelonas Bürgermeisterin Ada Colau sprach von einer »barbarischen« Gerichtsentscheidung und kündigte an, zur Unterstützung der Gefangenen die institutionellen Aktivitäten der Stadtverwaltung bis Mittwoch abend einzustellen. Für den späteren Dienstag abend war eine Großdemonstration im Zentrum Barcelonas angekündigt. Auch in Berlin wollten sich Katalanen vor der Vertretung der EU-Kommission am Brandenburger Tor versammeln.

Erschienen am 18. Oktober 2017 in der Tageszeitung junge Welt