Spanische Beziehungskisten

Die von  Linken (aufgeschriebene) Geschichte Spaniens ist voll von Mythen und  Legenden. Denn kaum ein Land Europas lieferte in diesem Jahrhundert  mit Kriegen. Diktaturen, Revolutionen und neuartigen Entwicklungswegen ähnlich viele Projektionsflächen wie dieses. Auch  die kommunistischen  Parteien waren  von einer solchen Sicht nicht  frei. So  wird die  Rolle der Kommunistischen Partei Spaniens (PCE)  vor und  während des  Bürgerkrieges  1936-39  bis  heute immer wieder glorifiziert. Und gegen Ende der Franco-Diktatur wurde  die –  fraglos führende  – Rolle der PCE im Widerstand dermaßen überschätzt, daß in zahlreichen Berichten kaum ein anderer Entwicklungsweg als der sozialistische in Spanien für möglich gehalten wurde.

Die Unkenntnis  der spanischen  Realitäten  der  Gegenwart  führt dazu, daß  der spanische Kommunismus weitgehend auf die PCE reduziert wird.  Daß es  daneben auf  spanischer Ebene noch immer die Kommunistische Partei  der Völker Spaniens (PCPE) gibt, ist dabei oft ebenso  unbekannt wie  die Existenz  unabhängiger Parteien in Katalonien, nämlich der Vereinigten Sozialistischen Partei (PSUC) und der Partei der Kommunisten Kataloniens (PCC). Dieser Unkenntnis zumindest ein wenig entgegenzuwirken, soll die Aufgabe dieses Artikels sein.

Zur Geschichte der PCE

Die PCE  feierte im  vergangenen Jahr  ihr 75-jähriges  Bestehen. Lange Zeit befand sich die Partei in der in Europa einmaligen Situation, daß  die revolutionäre  Arbeiterklasse mehrheitlich  von einer  anarcho-syndi-kalistischen  Gewerkschaft,  der  Nationalen Konföderation der  Arbeit (CNT),  dominiert wurde.  Hinzu kam die Existenz einer  „links-kommunistischen“, dem Trotzkismus nahestehenden (obwohl von Trotzki selber abgelehnten) Partei, der Arbeiterpartei der  Marxistischen Einigung  (POUM). Die  POUM war, vor allem 1936/37,  die einzige  europäische Partei im Umfeld der von Trotzki gegründeten „IV. Internationale“, die je einen etwas größeren Mitgliederstamm und Einfluß erreichen konnte. 1) Ihre führende  Stellung in  der revolutionären  Bewegung Spaniens errang die PCE erst nach dem Beginn der faschistischen Militärerhebung unter  Franco 1936.  Das disziplinierte Handeln ihrer Mitglieder, die  klare Ausrichtung der PCE auf den Sieg über die Faschisten und  vor allem die Unterstützung der Sowjetunion für die bedrohte Spanische  Republik führte  zu einem  rasanten Anwachsen des Ansehens und des Einflusses der PCE. Die Disziplin  ihrer Mitglieder  war dann auch eine wichtige Voraussetzung dafür,  daß es  der Franco-Diktatur  nach dem Sieg der Faschisten trotz  blutiger Schläge  nicht gelang, die PCE zu zerschlagen, während andere Organisationen wie die CNT und vor allem die POUM praktisch am Boden lagen. 2)

Nicht zuletzt  der Widerstand  der  illegalen  PCE  –  neben  dem anderer Bewegungen – begann die franquistische Hegemonie ab Mitte der 60er  Jahre aufzuweichen  und machte  so die  „Transición“ ab 1976,  den   demokratischen  Wandel   vom  Franco-Faschismus  zur heutigen konstitutionellen  Monarchie, erst möglich. So waren die Arbeiterkommissionen (CC.OO.),  heute die  zweitstärkste  Gewerkschaft Spaniens,  die von  der PCE  ausgehende Alternative  einer Einheitsgewerkschaft angesichts  des Scheiterns  einer  illegalen Arbeit der  traditionellen Richtungsgewerkschaften.  Folgerichtig war denn  auch die  Legalisierung der PCE ein wichtiger Prüfstein für die Ernsthaftigkeit der „Transición“.

In den  ersten Jahren  ihrer legalen Existenz verfolgte die PCE – wie auch  schon ab 1968, als sie bspw. das Eingreifen von Truppen des Warschauer  Vertrags in  der Tschechoslowakei  verurteilte  – eine Politik,  die unter  dem Stichwort „Eurokommunismus“ bekannt geworden  ist.   Carlos  Carnero,  Mitglied  des  Comité  Federal (Parteivorstand) der  PCE, faßte  die Ziele des „Eurokommunismus“ anläßlich des 75. Jahrestages der PCE wie folgt zusammen:
„- Es kann  keinen Sozialismus ohne Demokratie und Freiheiten geben;
– der Weg der sozialistischen Transformation der Gesellschaft ist der demokratische;
– jede KP muß ihre politische Linie ohne Einmischung und in Übereinstimmung mit der eigenen nationalen Realität erarbeiten;
– der ‚reale  Sozialismus‘ ist  nicht das Modell des Sozialismus, dem die Kommunisten der PCE folgen;
– die kommunistischen  Parteien dürfen  sich nicht als die Avantgarde der sozialen Transformation sehen;
– der Monolithismus  (d.h. die  Einheitlichkeit in  allen Fragen, A.S.) kann  nicht die  Grundlage der kommunistischen Organisation sein…“ 3)

Schöne Worte,  hehre Ziele, die jedoch nicht verschleiern können, daß der Eurokommunismus letztlich gescheitert ist, nachdem er die PCE in die schwerste Krise ihrer Geschichte schlittern ließ. Santiago Carrillo,  Kopf der PCE in dieser Zeit, ist mit seiner nach dem Bruch  mit der PCE gegründeten Partei der Arbeiter (PTE) folgerichtig schon  vor Jahren  in der sozialdemokratischen PSOE gelandet. Der  Eurokommunismus und  die damit verbundene Rechtsentwicklung der  PCE und  der mit  ihr traditionell  eng verbundenen PSUC führte  zu Beginn  der 80er  Jahre zur  Gründung der PCPE in Spanien und der FCC in Katalonien. Der Eurokommunismus ist jedoch heute eine  geschichtliche Etappe  der PCE, selbst wenn Leute wie Carlos Carnero,  die ihren  Weg in die Partei zu Zeiten des Eurokommunismus gefunden  haben, dieser Tendenz positive Auswirkungen auf die Gegenwart nachsagen wollen.

Orientierung an Gramsci

Die heutige,  im vergangenen  Dezember vom  XIV. Parteitag bestätigte Politik  der PCE  unter ihrem Generalsekretär Julio Anguita bezieht sich wesentlich auf Gramsci und seine Theorie von der Hegemonie. Nachdem der XIII. Parteitag die vom rechten Parteiflügel geforderte Auflösung der PCE in das Bündnis Vereinigte Linke (IU) zurückgewiesen hatte,  ist die  Politik der  PCE daraufgerichtet, innerhalb der  IU und vor allem über die IU in der spanischen Gesellschaft die ideologische und kulturelle Hegemonie zu erlangen. 4) Daß  die PCE auf demokratischem Wege die Hegemonie auch innerhalb der  IU anstrebt,  können die  Exponenten des rechten Hügels der IU, die sich kürzlich als Demokratische Partei der Neuen Linken (PDNI)  konstituiert haben,  nicht  verkraften.  Deren  Kopf, Diego López  Garrido, behauptet im Interview mit der Tageszeitung El País:  „Die Hegemonie  der PCE  hat die  Katastrophe in der IU verursacht“ 5),  womit er  den unerwartet  langsamen Anstieg  des Stimmenanteils der  IU bei den Wahlen vom 3. März meint. Worum es ihm geht,  mag ein  weiterer Passus  dieses Interviews verdeutlichen: „Die  Linke arbeitet  weiter mit  einer sehr alten Sprache, die es  zu erneuern  gilt. Es gibt eine Welt der neuen Generationen, mit  neuen Formen der politischen Beteiligung, die die Linke ignoriert. Und es gilt, sich in Richtung auf die neuen Kommunikationsmittel zu  erneuern, in Richtung auf die Kultur, auf Europa. Die Linke  muß sich  erneuern. Wenn  nicht, wird  sie in  Spanien nicht wieder regieren.“ 6) Folgerichtig das Anbiedern der PDNI an die sozialdemokratische PSOE – als deren „U-Boot“ in der IU Nueva Izquierda auch  bezeichnet wird,  nicht zuletzt  nach dem Treffen der PDNI-Spitze mit PSOE-Chef Felipe Gonzalez, bei dem dieser die Idee eines  Blocks um die PSOE, bestehend aus PDNI und den Resten der zentristischen  UCD, präsentierte.  Die PCE  benennt als ihre Grundlagen den  „revolutionären Marxismus und (…) die theoretischen, politischen  und kulturellen Beiträge der Projekte der Befreiung, die als Ziel die volle Demokratie haben, die Beseitigung jeder Form  der Ausbeutung und Unterdrückung, die Gleichberechtigung der  Menschen, den Sozialismus als dialektische Negation und Überwindung des Kapitalismus, den Kommunismus als eine friedliche und solidarische  Menschheit ohne  Klassen und  ohne Staaten,  in Harmonie mit ihr selbst und mit der Umwelt“ 7). Die so ausgerichtete Politik  der Partei hat zu einer Konfrontation mit den sozialpartnerschaftlich orientierten  Führern der Gewerkschaft CC.OO. um Antonio  Gutiérrez geführt. Diese sehen in den Beschlüssen des PCE-Parteitages für eine aktive Arbeit der Kommunistinnen mit dem Ziel der Erweiterung ihres Einflusses in der Gewerkschaft und für den Wiederaufbau  von Parteiorganisationen  in den Betrieben eine Gefahr für  ihre Politik,  was sie  jedoch mit dem Beschwören der „Unabhängigkeit der Gewerkschaften“ bemänteln. 8) Besonders deutlich wird  der Konflikt  bei der  Einschätzung der  französischen Streikbewegung im  vergangenen Herbst und Winter, die von der PCE als Signal  und Beispiel für Spanien, von der CC.OO.-Führung hingegen als „innerfranzösische Angelegenheit“ bezeichnet wird. Ebenso kollidiert die Politik der PCE – vor allem das Konzept der Hegemonie in der IU – mit den Vorstellungen der Führung der katalanischen PSUC.

Katalonien: PSUC und PCC

Die Vereinigte Sozialistische Partei Kataloniens (PSUC) beging in diesem Jahr  den 60. Jahrestag ihrer Gründung. Sie entstand 1936, wenige Tage  vor dem faschistischen Militäraufstand, aus der Vereinigung von  vier katalanischen marxistischen Parteien, darunter der katalanischen  Organisation der  damals noch  kämpferischeren Spanischen Sozialistischen  Arbeiterpartei (PSOE),  und wurde als eigenständige nationale Sektion in die Kommunistische Internationale aufgenommen.  Mit der PCE war sie, bei Wahrung ihrer organisatorischen Unabhängigkeit,  immer eng  verbunden, was  sich  bis heute darin  zeigt, daß die PSUC eigene Delegierte zu PCE-Parteitagen entsendet  und – anders als die regulären Regionalorganisationen –  selbständig eine  Anzahl von Vertreterinnen für das Comité Federal der PCE bestimmt.

Im antifranquistischen  Widerstand in  Katalonien war  die PSUC – wie die  PCE auf spanischer Ebene – eine zentrale Kraft. In Katalonien bildete  sich jedoch – anders als im übrigen Spanien – bereits in der Illegalität ab Ende der 60er Jahre eine vollständige Parteienlandschaft heraus,  die sich sogar in parlamentsähnlichen Versammlungen organisierte,  so daß sich die PSUC bereits vor der „Transición“ mehr als die PCE dem Wettbewerb mit bürgerlich-demokratischen Parteien stellen mußte. Hinzu kam die besondere Situation Kataloniens als einer vom Franco-Faschismus verleugneten und unterdrückten Nation  ohne eigenen Staat. Diese nationale Identität hatte  den Faschisten  bereits während  des Bürgerkrieges  zu schaffen gemacht,  und auch während der Franco-Diktatur war Katalonien eine der Hochburgen des Widerstands. Bei den ersten freien Wahlen errang  die PSUC rund 20 Prozent der Stimmen und wurde bei den ersten gesamtspanischen Wahlen 1977 und bei den katalanischen Kommunalwahlen 1979  die zweitstärkste Kraft hinter der sozialdemokratischen PSC.

Angesichts der  eurokommunistischen  Rechtsentwicklung  der  PSUC trennte sich  1982 der  „prosowjetisch“ genannte  Flügel von  der Partei und  gründete die  Partei der  Kommunistinnen  Kataloniens (PCC)  als  marxistisch-leninistische  Erbin  der  revolutionären PSUC. Nach  der Gründung  der Kommunistischen  Partei der  Völker Spaniens (PCPE)  – als Abspaltung von der eurokommunistischen PCE –  etablierten   beide  Parteien   enge  Beziehungen,   die   der traditionellen Bindung von PSUC und PCE entsprachen. Im Gegensatz  zur Politik  der PSUC  mit ihrer  parlamentarischen Orientierung legt  die FCC den Schwerpunkt ihrer Arbeit bis heute uf den  außerparlamentarischen Kampf.  Sie verfügt  über  großen Einfluß z.  B. unter  den  Nachbarschaftsinitiativen  Barcelonas, deren  Kampagnen  gegen  Wasserpreiserhöhungen  u.ä.  sie  massiv unterstützt,  sowie   unter  den   zahlreichen  Initiativen   der internationalen Solidarität,  in der Friedensbewegung und anderen Bereichen, ein Einfluß, der alljährlich auf dem von Zehntausenden besuchten Fest der Wochenzeitung Avant spürbar wird.

Nachdem die PSUC bei den Wahlen zum spanischen Parlament 1982 und bei den  katalanischen Autonomiewahlen  1984 einen massiven Rückgang ihres  Stimmanteils (auf  4,6 bzw.  4,4  Prozent)  hinnehmen mußte, wurde auf ihre Initiative hin das katalanische Pendant zur spanischen IU  gebildet,  die  Initiative  für  Katalonien  (IC). Zunächst beteiligte sich auch die PCC an diesem Bündnis, beendete die Mitarbeit aber, als die Rechtsentwicklung auch der IC für sie nicht mehr  tragbar war. (Mittlerweile gibt es wieder eine Zusammenarbeit von  PCC und IC, in deren Folge der Generalsekretär der PCC-Jugendorganisation CJC,  Fidel Lora,  über die  Liste  IC-Els Verds ins katalanische Parlament gewählt worden ist.) Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre diskutierte die PSUC – parallel zu  den entsprechenden  Diskussionen in  der PCE  – über ihre Auflösung in  die IC.  Im Gegensatz  zur PCE schlug die PSUC eine entsprechende Entwicklungsrichtung  ein, bei  der sie  die IC als das strategische  Projekt der  katalanischen Kommunistinnen ansah und die PSUC auf den Status einer Fraktion der IC reduzierte, mit der Perspektive der völligen Auflösung. Die Kommunistische Jugend Kataloniens (JCC),  Jugendorganisation der  PSUC, ist  diesen Weg längst zu  Ende gegangen  und hat  sich in die Organisation Joves amb Iniciativa (Jugend mit Initiative) aufgelöst.

PSUC, PCC und PCE heute

Heute existiert  die PSUC praktisch nicht mehr. Zwar gibt es noch ein Zentralkomitee, zwar wurden noch Delegierte zum PCE-Parteitag entsandt (die  der PSUC  zustehenden Sitze im Comite Federal aber nicht besetzt), als eigenständige politische Kraft ist die Partei in Katalonien  aber nicht  wahrnehmbar. Der  letzte Parteitag der PSUC hat  1988 stattgefunden,  ein für 1996 angekündigter Parteitag, der über die endgültige Auflösung entscheiden soll, ist bislang nicht realisiert worden.

Diese Situation wird von der PCE mit Sorge registriert. Beim PCE-Parteitag führte  Julio Anguita  deshalb aus: „Erstes Prinzip. Jede Ideologie, jede  organisierte Bewegung, welcher Art sie auch sei, ist verpflichtet, sich im gesamten homogenen Territorium des selben Staates  einzuführen; jede Ideologie, jede religiöse, politische, kulturelle Bewegung. Zweitens. Katalonien ist Teil des spanischen Staates. Wenn dieses Prinzip nicht  bis zur  letzten Konsequenz  umgesetzt wurde, dann deshalb, weil  die Kommunistische Partei Spaniens die unterscheidende Tatsache  respektiert hat und weiter respektieren will, daß dort die  spanischen Kommunisten  in ihrer  eigenen  Organisation vertreten sind,  genannt Vereinigte Sozialistische Partei Kataloniens. Das muß klar sein. Nun gut, die PSUC hat eine Diskussion begonnen, in der es sich zu entscheiden scheint, ob man den einen Weg nimmt oder den anderen, ob man  weitermacht oder nicht weitermacht. Wir werden diese Diskussion skrupulös  ohne Einmischung  respektieren. Nun  gut, wenn diese Diskussion endet, wird die PCE auf der Grundlage des vorherigen die Ergebnisse zur Kenntnis nehmen und dementsprechend handeln.“ 10)

Besondere Aufmerksamkeit  der spanischen  Presse  verursachte  in diesem Zusammenhang  der von  der PCE erbetene Auftritt von Marià Pere, Generalsekretär der PCC, vor dem Plenum des Parteitags: „In Katalonien sind  wir Kommunisten nicht alle in der selben Partei, und das  ist ein wichtiges Thema. Wir Kommunisten sind nicht alle in derselben  parteilichen Organisation, und wir halten .die kommunistische Einheit für wichtig und werden sie weiter für wichtig halten. In  diesem Sinne  ist in Katalonien eine einzige Kommunistische Partei  notwendig, in  der wir  katalanischen Kommunisten alle sind.“ 11)

Die spanische  bürgerliche Presse interpretierte diese Ausführungen Marià  Peres als Ankündigung des  B e i t r i t t s  der PCC-Mitglieder zur  PSUC. Ich  hatte nach  dem Parteitag die Gelegenheit, mit Marià Pere zu sprechen: Seine Ausführungen seien in demSinne gemeint, daß die PCC bereit sei, im Falle des Verschwindens der PSUC die Rolle der  P a r t n e r i n  der PCE zu übernehmen. Diese Rolle  füllt die  PCC heute  bereits weitgehend aus, obwohl die PSUC  ihren offiziellen  Auflösungsbeschluß bislang nicht gefaßt hat.  So organisiert die PCC gemeinsam mit der KP des Landes Valencia (PCPV)  und der  KP der  Balearen (PCIB)  – beides offizielle Organisationen  der PCE – einen Diskussionsprozeß über die nationale Frage. Ein anderes Indiz ist die Präsenz von Delegationen der  PCC – bei Abwesenheit der PSUC – bei Konferenzen der PCE oder ihrer  Gremien (so  bei der  PCE-Konferenz über Organisation und Finanzen  am 31. Mai und 1. Juni). Doch auch in der PSUC regt sich Widerstand  gegen die  Eliminierung dieser traditionsreichen Partei. Im Vorfeld des PCE-Parteitags wandten sich Mitglieder des Zentralkomitees der  PSUC mit  einem Manifest  an die Öffentlichkeit, in  dem es  u.a. heißt: „Viele der sozialen Ungerechtigkeiten, die  uns dazu brachten, in der PSUC aktiv zu werden, bleiben lebendig, in  den wirtschaftlich  entwickelten Ländern ebenso wie auf der  ganzen Welt. Und es sind andere, neue hinzugekommen. Die revolutionäre Utopie,  die uns  bewegte und uns bewegt, ist nicht verfallen. Deshalb  glauben wir, daß das Instrument der Reflexion und der  Organisation, das  die PSUC  repräsentiert, nicht weiter begraben oder  eingefroren bleiben darf; es lebt in uns Personen, die wir von der kommunistischen Spezifik aus an die Notwendigkeit der radikalen Veränderung der Gesellschaft glauben.“ 12) Zur Zeit  sieht es jedoch so aus, als würde die PSUC bald der Geschichte angehören  und die  PCC auch  offiziell das  Erbe dieser Partei mit ihrer großen Geschichte antreten.

Die PCPE

Es dürfte  nicht überraschen,  daß dem  Prozeß der Annäherung der PCC an die PCE die Beziehungen der Partei zur PCPE weitgehend zum Opfer gefallen  sind. Diese  Beziehungen waren schon vorher nicht problemlos: Das  PCPE-Zentralorgan Nuevo Rumbo kam nur unregelmäßig in  Katalonien an,  die gegenseitige  Kommunikation  funktionierte kaum  und v.a.  die politische  Entwicklung verlief  nicht parallel. Vor  einigen Jahren waren die Hälfte der Mitglieder des ZK der  PCPE und  ein Großteil  der Mitglieder  zur PCE zurückgekehrt, da die Gründe für die Spaltung sich erledigt hätten. Diese Rückkehr war  hierzulande als  Wiedervereinigung von PCPE und PCE vermeldet worden, was aber übersieht, daß die PCPE auch weiterhin existiert. Sie  führt aber heute das Dasein einer Randgruppe. Sie beteiligt sich  weder an  der IU noch unterstützt sie die auf die Einheit der  Kommunistinnen gerichtete Politik der PCC. Doch liegen mir  zu wenige  Dokumente der  PCPE vor, um eine gründlichere Analyse ihrer  Politik vornehmen  zu können. 

Die Landschaft  der kommunistischen Parteien  im spanischen  Staatsgebiet ist  im Umbruch. Die  weitere Entwicklung könnte noch einige Überraschungen parat halten,  was über  Veränderungen z.B.  im EU-Parlament auch Auswirkungen auf unsere Situation in Deutschland haben könnte.

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  1. 1) Es ist  hier nicht  der Ort für eine ausführliche Auseinandersetzung mit  der POUM,  nur soviel sei angemerkt: Es ist eine historische Tatsache,  daß die spalterische, gegen die Republik gerichtete Politik der POUM in der Situation des Bürgerkrieges eine Gefahr für  den antifaschistischen Widerstand darstellte. Auf der anderen Seite war die offensichtlich von der sowjetischen Führung unter Stalin  ausgehende Reaktion  darauf –  wie die Diffamierung der POUM als „5. Kolonne Francos“ und die Ermordung von POUM-Führern – zumindest maßlos überzogen und nicht zu rechtfertigen.
  2. 2) Das Verschwinden der POUM wird heute von trotzkistischer Seite gern den „Stalinisten“ angelastet, eine m.E. mehr von dem Bestreben, Stalin  alle Gründe für das eigene Versagen in die Schuhe zu schieben, als von historischen Realitäten herrührende Ansicht. Die CNT  und die aus ihr hervorgegangene, gemäßigtere CGT sind im heutigen Spanien  – und  hier besonders in Katalonien – noch präsent, ihr  Gewicht ist aber nicht annähernd mit der Bedeutung der CNT vor dem Bürgerkrieg zu vergleichen.
  3. 3) Carlos Carnero,  El eurocomunismo en la historia y el presente del PCE,  in: Mundo  Obrero Nr. 46, Especial 75 Aniversario, Juni 1995, S. 26
  4. 4) Vgl. Tesis  acerca del  PCE, sus funciones y su imbricación en Izquierda Unida,  in: Información del Comité Federal del PCE, Nr. 8, Feb. 1996, S. 42
  5. 5) El País, 1.4.96, S. 16
  6. 6) ebenda
  7. 7) Tesis acerca …, a.a.O., S. 50
  8. 8) Vgl. El  Mundo, 12.12.1995,  S. 15  und andere Berichte spanischer Tageszeitungen über den PCE-Parteitag
  9. 9) Um Mißverständnissen  vorzubeugen: In zahlreichen, v.a. in der DDR und in marxistischen Verlagen der BRD erschienenen. Berichten und  Büchern   wird   der   Name   der   katalanischen   KP   mit „Sozialistische Einheitspartei  Kataloniens“ angegeben,  was wohl eher mit  politischer Nähe zu einer gewissen anderen Einheitspartei als mit einer korrekten Übersetzung des katalanischen „Partit Socialista Unificat de Catalunya“ zu tun hat.
  10. 10) Segunda intervención  de Julio  Anguita, in:  Información del Comite Federal del PCE, Nr. 7, Jan. 1996, S. 13
  11. 11) Avant, 13.12.1995, S. 4
  12. 12) El PSUC en el proceso del XIV Congreso. in: Mundo Obrero, Nr. 52, Dezember 1995, S. 10

Erschienen im Heft 5 (September/Oktober) 1996 der Zeitschrift Marxistische Blätter