Solidarität hilft siegen

Der Multi musste nachgeben: Am 15. April unterzeichneten die Gewerkschaft Sutragrucep und die Einzelhandelskette Cencosud in Lima einen Tarifvertrag, der Gehaltssteigerungen zwischen umgerechnet zwölf und 24 Euro vorsieht. Angesichts von Monatslöhnen, die nach Gewerkschaftsangaben bei rund 270 Euro liegen, ist das spürbar. Hinzu kommen erhöhte Leistungen für Fahrtkosten sowie für Gewerkschaftsmitglieder eine einmalige Bonuszahlung in Höhe von drei bis sieben Monatsgehältern.

Cencosud Retail Perú S.A. ist eine Tochter des chilenischen Konzerns Cencosud (Centros Comerciales Sudamericanos – Südamerikanische Einkaufszentren), der in mehreren Ländern der Region Supermärkte und Shoppingtempel betreibt. In Peru sind das unter anderem die Ketten Metro, Wong und París. Der Konzern gehört mehrheitlich der Familie des deutschen Unternehmensgründers Horst Paulmann, der ab 1976 unter der Diktatur von Augusto Pinochet ein Handelsimperium aufbaute. Wie sein Aufstieg in dieser Zeit ermöglicht wurde, ist bislang nicht aufgeklärt worden, wie der chilenische Rechtsanwalt Hernán Fernández, der die Opfer des Folterlagers »Colonia Dignidad« vertritt, im Gespräch mit junge Welt kritisierte. Für 2015 meldete Cencosud eine Steigerung seiner Gewinne um 21,4 Prozent auf umgerechnet mehr als 300 Millionen Euro.

Trotz solcher Bilanzen weigerte sich der Konzern lange, den Beschäftigten in Peru entgegenzukommen. Statt dessen wurde versucht, die Gewerkschaft zu zerstören, um so jede Interessenvertretung zu verhindern, wie Gustavo Triani gegenüber junge Welt berichtete. Der Funktionär der internationalen Dienstleistungsgewerkschaft UNI Américas, der die peruanischen Kollegen unterstützte, musste erleben, wie Beschäftigte in Stoßzeiten gezwungen wurden, Schichten von bis zu 30 Stunden zu leisten. Nur nachts hätten sie sich für drei Stunden auf dem Fußboden hinlegen dürfen, um etwas Schlaf zu bekommen. Nach Protesten gegen diese Zustände intervenierte zwar das zuständige Ministerium und verhängte eine Geldstrafe, doch Cencosud zahlte – und hielt an der Praxis fest. Die zuständigen Manager weigerten sich lange, an den Tarifverhandlungen teilzunehmen, und schickten lediglich eine Rechtsanwältin, die über kein wirkliches Verhandlungsmandat verfügte.

Die Wende kam Anfang April, relativ unerwartet. Am 31. März musste der deutsche Gewerkschafter Orhan Akman Peru verlassen, nachdem ihn die Behörden wegen »Störung der öffentlichen Ordnung« ausgewiesen hatten. Der frühere ver.di-Handelssekretär in München hatte wie sein Kollege Triani für die UNI Américas die Beschäftigten bei Cencosud unterstützt und sich unter anderem an zwei Streiks im vergangenen Jahr beteiligt. Diese gewaltfreien Aktionen dienten den Behörden als Begründung für ihren Schritt.

Bis heute sitzt Akman in der UNI-Zentrale in Montevideo fest, weil ihm die Rückkehr nach Peru untersagt ist. Doch die Maßnahme der peruanischen Einwanderungsbehörde sorgte für Proteste: Perus größter Gewerkschaftsbund CGTP und andere Arbeiterorganisationen in Lateinamerika solidarisierten sich mit Akman. In Lima demonstrierten Gewerkschafter vor der Einwanderungsbehörde, in München protestierten ver.di-Mitglieder vor dem peruanischen Konsulat.

Durch die Aufmerksamkeit rückte der Tarifkonflikt bei Cencosud international in das Licht der Öffentlichkeit und sorgte so für ein Umdenken der Konzernspitze. Ein »deutsches« Unternehmen, das mit fragwürdigen Methoden gegen die eigenen Beschäftigten und gegen einen deutschen Gewerkschafter vorgeht, macht sich auch in Europa nicht gut. Zumal man es in Santiago de Chile nicht gerne sieht, wenn die Vergangenheit von Unternehmenschef Paulmann und dessen Verbindungen zu Diktator Pinochet und zur »Colonia Dignidad« thematisiert werden.

Ausgestanden ist der Konflikt in Peru nicht: Da der Beginn des jetzt ausgehandelten Tarifvertrags auf den 17. Juni 2014 zurückdatiert wurde, läuft er bereits am 16. Juni 2016 aus. Die nächsten Verhandlungen stehen schon an. Die Gewerkschafter setzen sich dafür ein, dass ihr Kollege Akman dann wieder dabeisein kann.

Erschienen am 30. April 2016 in der Tageszeitung junge Welt