Showdown in Lima

Zum zweiten Mal innerhalb von drei Monaten muss sich der peruanische Staatschef Pedro Pablo Kuczynski am heutigen Donnerstag im Parlament einer Abstimmung über das vorzeitige Ende seiner Amtszeit stellen. Die Abgeordneten entscheiden über einen Antrag, wegen »dauerhafter moralischer Unfähigkeit« des Präsidenten die »Vakanz« des höchsten Staatsamtes festzustellen. Hintergrund sind Korruptionsvorwürfe. Kuczynskis Beratungsfirma Westfield Capital soll zwischen 2004 und 2006 Zahlungen des brasilianischen Baukonzerns Odebrecht erhalten haben, als er Minister im Kabinett von Präsident Alejandro Toledo war. Dieser wird in Peru im Zusammenhang mit der Affäre mit Haftbefehl gesucht, hält sich aber im sicheren Exil in den USA auf. Im Gefängnis sitzen wegen ähnlicher Vorwürfe dagegen bereits Expräsident Ollanta Humala und seine Ehefrau Nadine Heredia. Die Antragsteller machen Kuczynski zum Vorwurf, sie belogen zu haben, als er die Vorwürfe abstritt, später jedoch teilweise einräumte.

Ob der Staatschef heute stürzt, gilt als völlig offen. Nötig für seine Absetzung ist eine Zweidrittelmehrheit aller Abgeordneten, 87 Stimmen. Im Dezember war ein ähnlicher Antrag gescheitert, weil nur 78 Parlamentarier für die Amtsenthebung votierten. Der Stimme enthalten hatten sich damals unter anderem einige Abgeordnete der rechtspopulistischen »Fuerza Popular« um Kenji Fujimori, dem Sohn des früheren Staatschefs Alberto Fujimori. Dieser hatte Peru in den 1990er Jahren diktatorisch regiert und war 2005 wegen Korruption und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu einer 25jährigen Haftstrafe verurteilt worden. Nur drei Tage nach der Abstimmung wurde er von Kuczynski »aus humanitären Gründen« begnadigt.

Kenji Fujimori und seine Gefolgsleute wurden in der Folge aus der »Fuerza Popular« ausgeschlossen und bereiten Medienberichten zufolge inzwischen die Gründung einer eigenen Partei vor. Diese soll »Cambio 21« (Veränderung 21) heißen, eine offensichtliche Anlehnung an Alberto Fujimoris Partei »Cambio 90«.

Doch durch die Familie Fujimori geht ein Riss. Der Flügel der »Fuerza Popular«, der Kuczynski stürzen will, wird von Kenjis Schwester Keiko Fujimori geführt. Ihre Anhänger präsentierten am Dienstag in Lima Videos, auf denen Kenji und einige seiner Gefolgsleute bei dem Versuch zu sehen sind, den Abgeordneten Moisés Mamani davon zu überzeugen, nicht gegen den Staatschef zu stimmen. Im Gegenzug werde er öffentliche Aufträge für seinen Wahlkreis erhalten, aus denen auch »bis zu fünf Prozent« der Gelder in seine eigenen Taschen fließen könnten. Unklar ist aber, wie die Tageszeitung La República schreibt, ob die Aufnahmen tatsächlich jüngeren Datums sind oder bereits vor der ersten Abstimmung im Dezember entstanden.

Die Veröffentlichung erhöht jedoch den Druck auf die Abgeordneten, für die Absetzung des Präsidenten zu votieren. »Nun gibt es ausreichend Beweise für die Korruption in dieser Regierung«, sagte Marco Arana von der Linkspartei Frente Amplio dem lateinamerikanischen Fernsehsender Telesur. »Die Erklärung der Vakanz ist unvermeidbar.« In Lima und anderen Städten gingen bereits zahlreiche Menschen auf die Straße, um sofortige Neuwahlen zu fordern. Der Gewerkschaftsbund CGTP und verbündete Organisationen rufen für den heutigen Donnerstag zu Kundgebungen im ganzen Land auf. Man werde die Parlamentarier, die gegen die Amtsenthebung votieren oder sich der Stimme enthalten, »zu Verrätern erklären«, heißt es in einer auf der Facebook-Seite der CGTP veröffentlichten Stellungnahme. »Es ist an der Zeit, nicht nur für einen Austausch von Personen, sondern für gesellschaftliche Veränderungen zu kämpfen.« Es gehe darum, eine »alternative Volksmacht« aufzubauen, »gegen die Macht der Korrupten, für eine neue Verfassung und allgemeine Wahlen«.

Eine Absetzung Kuczynskis müsste jedoch nicht unbedingt Neuwahlen zur Folge haben. Zunächst würde Vizepräsident Martín Vizcarra – der nebenbei auch noch Botschafter Perus in Kanada ist – die Amtsgeschäfte übernehmen. Sollte er das ablehnen, würde die zweite Vizepräsidentin Mercedes Aráoz nachrücken. Wenn auch sie das Amt nicht übernimmt, müsste Parlamentspräsident Luis Galarreta die Staatsspitze übernehmen und vorgezogene Neuwahlen ausrufen.

Erschienen am 22. März 2018 in der Tageszeitung junge Welt