»Schwierig, alle unter einen Hut zu bringen«

Gespräch mit Günter Pohl, internationaler Sekretär der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP)

Anfang Oktober ist in Brüssel eine »Initiative kommunistischer und Arbeiterparteien zur Erforschung und Ausarbeitung europäischer Themen und zur Koordinierung ihrer Aktivitäten« gegründet worden. Was versteckt sich hinter diesem endlosen Namen?

Der Impuls dazu ging vor mehreren Monaten von der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) aus. Die teilnehmenden Parteien verbindet eine ablehnende Analyse der EU, weil diese zugunsten von Monopolen und Kapital agiert, aufrüstet und dabei notwendigerweise die Repression befördert.

 

Der sperrige Name benennt nicht mehr als den Versuch, Kommunistische Parteien zu gemeinsamen Aktionen gegen diese Politik zusammenzubringen. In der Initiative sind übrigens fast ein Drittel der Parteien aus Nicht-EU-Staaten, wie aus Rußland, Norwegen, Serbien oder der Ukraine. Es wurde in Brüssel vorerst ein Sekretariat gebildet, das nach einem Jahr neu bestimmt wird.

30 Parteien und Organisationen sind der Initiative beigetreten, die DKP jedoch nicht. Warum nicht?

Wir begrüßen sie, aber haben noch Diskussionsbedarf. Zum Beispiel hätten wir es für besser gehalten, auch die kommunistischen Parteien einzuladen, die Vollmitglieder der »Europäischen Linken« (ELP) sind. Ob sie teilgenommen hätten, steht auf einem anderen Blatt – aber uns scheint es grundsätzlich besser, aus dem guten Ansatz der Zusammenarbeit nicht ungewollt das Gegenteil zu machen, nämlich in der Summe eher zu trennen als zusammenzuführen. Letztlich haben sich auch andere kommunistische Parteien, mit denen wir eng zusammenarbeiten, der Initiative erst einmal nicht angeschlossen. Das hat unsere Zurückhaltung zwar nicht entscheidend beeinflußt, aber unberührt läßt es uns natürlich nicht. Andererseits ist es so, daß es unter den Mitgliedern eine Reihe Parteien gibt, zu denen wir bislang keine Kontakte hatten.

Die DKP hat jedenfalls keinen ablehnenden Beschluß gefaßt, die Frage ist offen. Wir haben den anderen Parteien mitgeteilt, daß wir diese Initiative prinzipiell befürworten.

An einer internationalen Zusammenarbeit der Kommunisten sind Sie also weiterhin interessiert?

Genau das haben wir im Frühjahr auf unserem Parteitag beschlossen. Internationale Zusammenarbeit ist nötig – nicht nur, weil der Gegner das auch macht. Es ist darüber hinaus wichtig, auch in theoretischen Fragen zu einem besseren Austausch zu kommen. Bei manchen Erklärungen zeigt sich, daß es sehr schwierig ist, alle unter einen Hut zu bringen. Unser Herangehen ist, daß es nicht zwangsläufig um eine Übereinstimmung gehen muß, sondern vielmehr darum, daß die unterschiedliche Analysen in bestimmten Fällen durchaus nebeneinander stehen bleiben können. Immerhin sind die Länder in Europa sehr unterschiedlich. Das Agieren der portugiesischen Kommunisten ist sicher ein anderes als das der britischen. Und die DKP trifft natürlich andere Entscheidungen im imperialistischen Deutschland als die zyprische AKEL in ihrem Land. Abgesehen davon sind die einzelnen Parteien unterschiedlich groß und haben mehr oder weniger Einfluß.

Die DKP ist mit Beobachterstatus der ELP angeschlossen. Schließt das die Mitarbeit in der Initiative nicht aus?

Unter den 30 Parteien der Initiative sind auch zwei Beobachter aus der ELP, und zwar die Kommunisten aus Tschechien und der Slowakei. Ich denke, diese Parteien sehen die Initiative auch als Chance, die Widersprüche eventuell aufbrechen zu können. Wie erwähnt, hätten wir gern allen ELP-Mitgliedsparteien die Tür offen gehalten, denn es wäre falsch, wenn sich die Initiative als Gegen-ELP verstünde. Darum sollte es nicht gehen, denn es sind ja auch kommunistische Parteien in der ELP, wenn auch nur wenige.

Wir selbst sind, was die ELP angeht, in einem Diskussionsprozeß über deren Aufgabe innerhalb der EU. Die ELP formiert sich über einige Statutenänderungen im Dezember zu einer Partei nach EU-Muster, wobei sich gewiß die Frage stellen wird, wie die Rolle der DKP dabei wäre. Das steht schon in gewissem Widerspruch zur EU-Analyse der Initiative.

Erschienen am 19. Oktober 2013 in der Tageszeitung junge Welt