Schreibtischmörder mit Bundesverdienstkreuz

Spaniens Faschisten trauern um einen der ihren. Am Sonntag ist der einstige Tourismus- und Informationsminister der Franco-Diktatur, Manuel Fraga Iribarne, im Alter von 89 Jahren den Folgen einer Lungenentzündung erlegen. Der spanische Ministerpräsident und Chef der von Fraga mitbegründeten Volkspartei (PP), Mariano Rajoy, würdigte ihn, er habe sich von zwei Prinzipien leiten lassen, »der Liebe zu Spanien und dem Verständnis von Politik als einer öffentlichen Dienstleistung«.

Manuel Fraga Iribarne wurde am 23. November 1922 im galicischen Vilalba geboren. Ab 1951, mitten in der finstersten Phase des spanischen Faschismus, übernahm er seine ersten politischen Funktionen als Generalsekretär des Hispanischen Kulturinstituts und zwei Jahre später als Sekretär des Rates für Bildung. Kurz darauf wurde er zudem Funktionär der »Nationalen Bewegung«, dem politischen Arm der Diktatur.

1962 wurde er von Franco zum Minister ernannt und hatte in diesem Amt unter anderem die Aufgabe, die Hinrichtung politischer Gegner zu verkünden, so im Fall des am 20. April 1963 in Madrid trotz internationaler Proteste exekutierten katalanischen Kommunisten Julián Grimau. Während in Spanien der Ausnahmezustand verhängt wurde, um noch brutaler gegen die Opposition vorgehen zu können, wurde Fraga in Bonn vom damaligen Bundespräsidenten Heinrich Lübke das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband verliehen, was den damaligen Herausgeber der Frankfurter Rundschau, Karl Gerold, zur Rückgabe des ihm selbst zwei Jahre zuvor verliehenen Ordens veranlaßte. Fraga spiele »im diktatorialen Spanien des Generals Franco dieselbe Rolle, wie sie bei uns der unselige Goebbels gespielt hat«, kritisierte er damals in seinem Blatt. Franco habe im Krieg gegen die Republik nur mit Hilfe der deutschen Faschisten siegen können, erinnerte er und schrieb weiter, daß »diese ›schöne‹ Bundesrepublik entgegen der aufkeimenden spanischen Freiheitsbewegung heute zwar nicht Condor-Legionen und Heulbomben schickt, sondern einen hohen Orden für einen franquistisch-faschistischen Minister«.

Fraga war ein lebendes Beispiel dafür, wie vorsichtig auch nach der Transición, dem Übergang zur Demokratie in Spanien, mit den Funktionären des Regimes umgegangen wurde. Unmittelbar nach dem Tod Francos im November 1975, für den die Bundesregierung in Bonn halbmast flaggen ließ, wurde Fraga Innenminister und Vizeministerpräsident des Landes. In dieser Funktion war er unter anderem politisch verantwortlich für das Massaker von Vitoria im März 1976. Bewaffnete Polizisten hatten damals in der baskischen Stadt das Feuer auf protestierende Arbeiter eröffnet und fünf von ihnen getötet. Noch im selben Jahr gründete er auch die »Volksallianz« (AP), die Vorgängerorganisation der heutigen PP, in der sich die gewendeten Franquisten zusammenschlossen und deren Generalsekretär Fraga wurde.

1989 wurde er schließlich als Kandidat der PP zum Regierungschef seiner Heimatregion Galicien gewählt und konnte erst 2005 von einer Koalition aus Sozialisten und Linksnationalisten aus dem Amt gedrängt werden. In seine Amtszeit fiel unter anderem das Drama um den Öltanker »Prestige«, der 2002 vor der galicischen Küste sank und eine der größten Umweltkatastrophen Europas auslöste. Die Behörden hatten dem Schiff das Anlaufen eines rettenden Hafens verweigert und das Auseinanderbrechen in Kauf genommen. Für Fraga war die Havarie kein Grund, seinen Jagdurlaub abzubrechen, erst eine Woche später ließ er sich wieder in der Öffentlichkeit blicken und leugnete einfach die verheerenden Folgen für die Umwelt. Eben »Liebe zu Spanien und Politik als öffentliche Dienstleistung«.

Erschienen am 17. Januar 2012 in der Tageszeitung junge Welt und am 18. Januar 2012 in der Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek