Im Gespräch mit Alejandro Fleming

»Wir wollen einen sozialistischen Tourismus«

Im Gespräch mit Alejandro FlemingEin Gespräch mit Alejandro Fleming, Tourismusminister der Bolivarischen Republik Venezuela

In Deutschland gibt es ein wachsendes Interesse von Menschen, die nach Venezuela reisen möchten, um sich selbst ein Bild vom bolivarischen Prozeß zu machen. Viele sprechen aber kein Spanisch, und sie wollen auch nicht in Hotelburgen festsitzen. Was empfehlen Sie diesen Menschen?

Der beste Werber für den Tourismus in Venezuela ist Präsident Hugo Chávez, denn er hat dafür gesorgt, daß für die Menschen Chávez und Venezuela einfach zusammengehören. Manche sprechen deshalb von politischem Tourismus. Jeder Tourist, der nach Venezuela kommt, erlebt auf die eine oder andere Weise die Realität unseres Landes, sowohl in einem Fünf-Sterne-Hotel wie in einem Hotel ohne Sterne, in einer Herberge oder in einer Privatunterkunft. Überall wird er die Revolution erleben, denn die spiegeln sowohl die Arbeiter in den Hotels als auch deren Eigentümer wider. Die Revolution ist außerdem im ganzen Land zu erleben, nicht nur in Caracas. Deshalb möchte ich die Deutschen einladen, nicht nur die Hauptstadt zu besuchen, sondern das Land zu bereisen.

Wie ist die rechtliche Lage der Beschäftigten im Tourismussektor?

Für alle gelten die venezolanischen Gesetze, zum Beispiel das Recht auf Sozialversicherung, das Recht auf Urlaub, die Vergünstigungen, die wir für die Arbeiter eingeführt haben. Natürlich sind die Arbeitszeitregelungen etwas anders, weil das im Tourismus notwendig ist. Aber wir sind auch im Tourismus keine Ausbeuter, weder zu Lasten der Umwelt noch zu Lasten der Arbeiter. Unser Tourismus muß ein sozialistischer sein, ein Tourismus zugunsten der Bevölkerung und nicht zu ihrer Ausbeutung.

Was kann »sozialistischer Tourismus« für einen deutschen Gast bedeuten?

Zuallererst bedeutet es, daß er auf der Reise nicht ausgebeutet wird, denn wir machen gerechte Preise. Zweitens wird er die Möglichkeit haben, die Erfahrungen des venezolanischen Volkes zu teilen, denn wir schließen unser Volk nicht aus unseren Hotels und Ferieneinrichtungen aus. Der Deutsche in Venezuela wird nicht nur den Naturreichtum unseres Landes kennenlernen, sondern auch den größten Schatz Venezuelas: die Venezolaner.

Es gibt viele Unterkünfte in Venezuela, die von deutschen Einwanderern betrieben werden. Diese haben einen Weg gefunden, das venezolanische Arbeitsrecht zu umgehen, indem sie auf einheimische Angestellte verzichten und statt dessen junge Praktikantinnen aus Deutschland anwerben. Diese arbeiten dort dann oftmals ohne freie Tage und ohne Bezahlung in den Herbergen. Welche Haltung hat die Regierung dazu?

Unser Arbeitsrecht und unsere Gesetze gelten für jede Person, die in Venezuela arbeitet. Wir respektieren die Rechte aller Arbeiter, ob sie nun Venezolaner sind oder nicht. Unternehmer, die sich so verhalten, wie Sie es beschrieben haben, verletzen die Gesetze unseres Landes, und wir werden dem nachgehen.

Venezuelas Regierung hat 2009 die Kontrolle über sämtliche Häfen und Flughäfen des Landes übernommen. Welche Folgen hatte das?

Die Ergebnisse sind sehr positiv. Der Ablauf auf den nationalen und internationalen Flughäfen ist jetzt sehr viel schneller und effektiver, und die ausländischen Touristen sind besser geschützt, es gibt mehr Informationsmöglichkeiten und mehr Dienstleistungen.

Das deutsche Auswärtige Amt warnt in seinen Sicherheitshinweisen für Venezuela vor der Gefahr von Raubüberfällen zum Beispiel in Caracas oder im Zentrum von Porlamar, der Hauptstadt der Ferieninsel Margarita. Wie stehen Sie dazu?

Die Insel Margarita ist ein ebenso sicheres Reiseziel wie der Rest Venezuelas. Unser Land verfügt über alle Bedingungen, um internationale Touristen zu empfangen, und ein Beleg dafür ist, daß die Zahl der Touristen in Venezuela im Februar 2011 im Vergleich zum Vorjahr um 8,8 Prozent gestiegen ist, und auf der Insel Margarita ist diese Zahl sogar um 16,6 Prozent gestiegen.

Erschienen am 16. März 2011 in der Tageszeitung junge Welt