»Patriotische Allianz« in Turbulenzen

Lediglich in 15 der 23 Bundesstaaten Venezuelas sowie in der Hauptstadt Caracas gelang es dem Regierungslager, gemeinsame Kandidatinnen und Kandidaten für den Urnengang am Sonntag aufzustellen. In fünf Staaten treten neben den offiziell Nominierten der von Präsident Hugo Chávez geführten Vereinten Sozialistischen Partei (PSUV) weitere Bewerber an, die ihrerseits wiederum von wechselnden Bündnissen linker Parteien unterstützt werden.

Für Unmut unter den PSUV-Verbündeten hatte bereits im Frühjahr die Art und Weise der Kandidatennominierung gesorgt. Obwohl Chávez im Januar zur Bildung einer »Patriotischen Allianz« aufgerufen hatte, bestand seine Partei darauf, alle Bewerber allein in parteiinternen Vorwahlen aufzustellen. Danach verwies sie auf das Votum ihrer Mitglieder und weigerte sich, Vertretern der Kommunistischen Partei (PCV), der PPT (Heimatland für alle) oder anderer Organisationen Kandidaturmöglichkeiten einzuräumen, was ein landesweit einheitliches Vorgehen hätte ermöglichen können.

Doch auch das Procedere der parteiinternen Vorwahlen wies Tücken auf. So hat im Bundesstaat Trujillo Umfragen zufolge Octaviano Mejía gute Chancen, sich nicht nur gegen den Vertreter der rechten Opposi­tion, sondern auch gegen den PSUV-Kandidaten Hugo Cabezas durchzusetzen. Mejía hatte sich bei den Vorwahlen um eine Nominierung durch die PSUV beworben und war von den Mitgliedern auch tatsächlich auf den ersten Platz gewählt worden – er erhielt 27,7, Cabezas folgte mit 24,3 Prozent der Stimmen. Da Mejía jedoch nicht die absolute Mehrheit erringen konnte und auch nicht mehr als 15 Prozentpunkte vom Zweitplatzierten entfernt war, mußte die nationale Leitung der PSUV gemäß der von ihr selbst aufgestellten Regeln entscheiden.

Die Entscheidung fiel zugunsten des früheren Finanzministers Cabezas, der bis dahin keine engeren Verbindungen nach Trujillo hatte. Mejía akzeptierte diese Entscheidung nicht und erklärte seine Kandidatur als Unabhängiger. Unterstützung erhielt er von PCV und PPT sowie kleineren Gruppierungen. Dafür wird er von seinen eigenen – inzwischen ehemaligen – Genossen nun als »kapitalistischer und konterrevolutionärer« Kandidat angefeindet, während die ihn unterstützenden Organisationen »dem Untergang geweihte Traditionsparteien« seien, denen es nur um Ämterschacher gehe.

Auch im Bundesstaat Bolívar treten PPT, PCV, die Tupamaros und andere Gruppen mit Manuel Arciniega gemeinsam gegen den amtierenden Gouverneur Francisco Rangel Gómez an, dessen Wiederwahl die PSUV anstrebt.

In den meisten anderen Bundesstaaten stellten sich die linken Bündnispartner jedoch auf die Seite der PSUV und unterstützen bekannte Vertreter der Bolivarischen Revolution wie den bekannten Fernsehmoderator Mario Silva in Carabobo, den früheren Bildungsminister Adán Chávez in Barinas oder den amtierenden Gouverneur von Anzoátegui, Tarek William Saab, der sich auch als Schriftsteller einen Namen gemacht hat. In Caracas konnte Aristóbulo Istúriz, einer der populärsten Politiker des chavistischen Lagers, die Unterstützung praktisch aller linken Kräfte für seine Kandidatur als Oberbürgermeister der Hauptstadt gewinnen. Da die rechte Opposition gespalten mit drei Kandidaten antritt, zweifelt kaum jemand an einem Erfolg Istúriz’.

Erschienen am 21. November 2008 in der Tageszeitung junge Welt