Rot-rot-grüne Kopfpauschale in Berlin

Als »solidarisch, nachhaltig, weltoffen« umschrieben SPD, Grüne und Linkspartei in Berlin ihren im vergangenen Dezember unterzeichneten Koalitionsvertrag. Auf Seite 68 heißt es dort: »Die Zweitwohnungsteuer wird zur Verbesserung ihrer Lenkungswirkung erhöht.«

Was darunter zu verstehen ist, machte Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) am Donnerstag gegenüber dem RBB klar. Noch im April will der »rot-rot-grüne« Senat die Steuer verdreifachen. Wer in Berlin mit Nebenwohnsitz gemeldet ist, muss dann künftig 15 Prozent der Nettokaltmiete statt wie bisher fünf Prozent zahlen. »Das Einkommen bzw. die wirtschaftlichen Verhältnisse spielen bei der Bemessung keine Rolle«, stellt die Behörde auf ihrer Homepage klar. Die einzige relevante Ausnahme gibt es für Verheiratete, deren Partner in einer anderen Stadt lebt. »Persönliche Motive für das Innehaben einer Nebenwohnung (z. B. Berufstätigkeit, Ausbildung, Studium) können über die genannten Ausnahmen hinaus gemäß der gesetzlichen Regelungen nicht berücksichtigt werden«, heißt es auf der FAQ-Seite der Berliner Finanzbehörde.

Im Rathaus hält man die Steuer­erhöhung für einen Akt der sozialen Gerechtigkeit. »Alle großen Städte leiden darunter, dass es eine durchaus einkommensstarke Gruppe gibt, die sich Zweitwohnungen anschafft in diesen Städten, aber dort eigentlich nur ganz selten ist«, erklärte Kollatz-Ahnen. Diese »einkommensstarke Gruppe« soll dazu bewogen werden, sich mit ihrem Erstwohnsitz in Berlin anzumelden – um dann in der Hauptstadt Einkommenssteuer zubezahlen.

Juristisch ist das fragwürdig. Laut Meldegesetz muss man sich dort anmelden, wo man seinen Lebensmittelpunkt hat. Wer »nur ganz selten« in Berlin ist, sich aber trotzdem dort anmeldet, verstößt also gegen das Gesetz. Aber was kümmert einen Senator geltendes Recht?

Wer in der Metropole monatlich 400 Euro Miete für seine Wohnung zahlt, wird vom Staat also künftig nicht mehr mit 20 Euro zur Kasse gebeten, sondern muss 60 Euro zahlen. Einen Millionär juckt das nicht, aber denjenigen, der sich zu Niedriglöhnen verdingen muss, schon. Was der Senat hier erhöht, ist also nichts anderes als eine pauschale Kopfsteuer. Bisher verteidigten SPD, Grüne und Linke die progressive Besteuerung und empörten sich über Vorstöße wie die eines Paul Kirchhof (ein ehemaliger Verfassungsrichter), der 2005 nahezu alle Einkommensgruppen pauschal mit 25 Prozent besteuern wollte. Ein solches Modell bevorzuge massiv die Reichen, schrieb der wirtschaftspolitische Sprecher der Linken im Bundestag, Michael Schlecht, noch im vergangenen Jahr: »Die Linke will, dass gerade Reiche mehr zahlen und so zum Beispiel bessere Bildung finanziert werden kann.« Bei der Besteuerung von Wohnraum in Berlin gilt das offenbar nicht.

Erschienen am 24. März 2017 in der Tageszeitung junge Welt