»Keine freie Wahl in Militärdiktatur« – Gespräch mit Silvia Ayala

Silvia Ayala ist Abgeordnete der Partei Demokratische Vereinigung (UD) im Parlament von Honduras. Im Januar nimmt sie in Berlin an der Rosa-Luxemburg-Konferenz 2010 teil

Seit dem Putsch gegen Präsident Zelaya sind nun fünf Monate vergangen. Wie würden Sie das Handeln des De-facto-Regimes von Roberto Micheletti in dieser Zeit beschreiben?

In den ersten Monaten nach dem Putsch reagierte das Regime auf die großen Protestdemonstrationen mit ihrer gewaltsamen Auflösung, der Verhängung von Ausgangssperren, der Schließung von Medien, Tränen- und Pfeffergas usw. Nach den internationalen Protesten von Menschenrechtsorganisationen sind sie dann zu anderen, weniger sichtbaren Formen der Unterdrückung übergegangen. Dazu gehören selektive Entführungen von Führungspersönlichkeiten des Widerstandes, Medienkampagnen gegen die wichtigsten Organisationen und Genossen, die Störung von Rundfunk- und Fernsehsignalen. Das Regime konnte sich diese fünf Monate nur durch militärische und polizeiliche Gewalt gegen die unbewaffnete Bevölkerung an der Macht halten.

Auch Sie selbst haben die Repression des Putschistenregimes erlebt…

Ich wurde das Opfer von zahlreichen Übergriffen und Haßkampagnen. Zweimal versuchten sie mich zu verhaften, als wir uns am 26. Juli an der Grenze zu Nicaragua mit dem Präsidenten treffen wollten. Zwei Paramilitärs sind in das Haus meiner Mutter eingedrungen, in dem ich mich von einem chirurgischen Eingriff erholte. Dabei hielten sie meinem gerade einmal sechs Jahre alten Sohn eine automatische Pistole vor das Gesicht und durchsuchten das ganze Haus. Sie nahmen zwei Laptops und die Handys mit. Ich habe dagegen Anzeige erstattet, aber diese wurde nicht verfolgt. Vor zwei Wochen wurde dann in Tegucigalpa ein Taxi, in dem ich unterwegs war, von zwei Personen gewaltsam gestoppt, sie versetzten mir einen Schlag auf die Brust und nahmen wieder mein Mobiltelefon mit.

Die Nationale Widerstandsfront ruft zu einem Boykott der an diesem Sonntag stattfindenden Wahlen auf. Ihre Partei, die Demokratische Vereinigung (UD), hat ihre Kandidatur jedoch nicht zurückgezogen. Warum?

Das war eine sehr schwierige Entscheidung, die unsere Nationale Versammlung am 21. November getroffen hat. Eine Mehrheit der Delegierten beschloß, daß die Partei an der Wahl teilnimmt, um den Putschisten die Instanzen, in denen die Entscheidungen getroffen werden, nicht völlig zu überlassen und vom Nationalen Kongreß aus den Kampf um die verfassunggebende Versammlung fortzusetzen und die Registrierung als politische Partei nicht zu verlieren. Aber unter einer Militärdiktatur kann es keine freien und demokratischen Wahlen geben. Angesichts des sehr hohen politischen Preises, den die Partei für diese Entscheidung bezahlen muß, haben Dutzende Kandidatinnen und Kandidaten unserer Partei, darunter auch ich, unseren Rücktritt von der Kandidatur erklärt.

Was passiert nach dem Wahltag?

Das wird von der Entwicklung der Ereignisse am Wahltag selbst abhängen, also davon, ob sie die geplanten Demonstrationen unterdrücken, ob sie die Menschenrechte auf andere Weise verletzen, ob die Bevölkerung die Stimmabgabe verweigert usw. Die Putschisten und die nordamerikanische Regierung hoffen, sich durch die Wahl stabilisieren zu können, aber große Teile der Bevölkerung haben der Wahl bereits ihre Anerkennung verweigert. Ich bezweifle deshalb, daß ihr Versuch, nach der Wahl zur Normalität zurückzukehren, gelingen kann. Die einzige Lösung dieser politischen Krise und zur Wiederherstellung der am 28. Juni zerstörten verfassungsmäßigen Ordnung ist eine Nationale Verfassunggebende Versammlung.

Erschienen am 28. November 2009 in der Tageszeitung junge Welt