»Ihr seid umzingelt«

»Falls ihr es noch nicht gemerkt haben solltet: Ihr seid umzingelt! Ergebt euch!« wandte sich Venezuelas Präsident Hugo Chávez am Sonntag an die Putschisten in Tegucigalpa. Wenige Stunden zuvor hatten diese den demokratisch gewählten Präsidenten von Honduras, Manuel Zelaya, aus seiner Residenz geholt, in eine Luftwaffenbasis verschleppt und dann in einem Flugzeug nach Costa Rica geschickt. Der venezolanische Staatschef faßte mit seinen knappen Bemerkungen die weltweit nahezu einstimmige Verurteilung des Staatsstreiches in dem zentralamerikanischen Land zusammen. Sogar die US-Regierung erklärte nach stundenlangem Zögern, sie werde nur Manuel Zelaya als rechtmäßigen Staatschef des Landes anerkennen.

In Honduras haben die Putschisten unterdessen versucht, ihrem Schlag gegen die Demokratie den Anschein von Legalität zu geben. Der von der rechten Opposition beherrschte Kongreß in Tegucigalpa erklärte Zelaya für abgesetzt und bestimmte den bisherigen Parlamentspräsidenten Roberto Micheletti zum neuen »Übergangspräsidenten«. Dieser verhängte als erstes eine 48stündige Ausgangssperre. Bereits zuvor waren in weiten Teilen der Hauptstadt die Strom- und Telefonverbindungen gekappt worden, in den TV-Kabelnetzen wurden ausländische Kanäle wie TeleSur und Cubavisión Internacional, die ständig über die Situation in Honduras und die internationalen Reaktionen berichteten, abgeschaltet. Die Privatsender in dem zentralamerikanischen Staat, soweit sie noch zu empfangen waren, sendeten Zeichentrickfilme und verschwiegen die Situation im Land. Nur Radio Globo Honduras konnte von unbekanntem Ort aus sein Signal zumindest noch über Internet verbreiten, bis es offenbar gegen 18.30 Uhr Ortszeit von Soldaten besetzt wurde.

Trotzdem versammelten sich Augenzeugenberichten zufolge am Sonntag zwischen 15000 und 20000 Menschen in der Nähe des von Soldaten abgeriegelten Regierungspalastes im Zentrum von Tegucigalpa. Auch in der folgenden Nacht und am Montag morgen hielten die Proteste einer Meldung der kubanischen Agentur Prensa Latina zufolge an, womit die Demonstranten sich offen gegen die von den Putschisten verhängte Ausgangssperre stellten. In 500 Meter Entfernung vom Sitz des Präsidenten brannten Barrikaden, zahlreiche junge Mitglieder der Linkspartei Demokratische Vereinigung (UD) und anderer Organisationen hielten die wichtigsten Zufahrtsstraßen zu den Sammelplätzen der Demonstranten besetzt. Vertreter politischer und sozialer Organisationen bildeten noch am Sonntag eine Volkswiderstandsfront und riefen die Einwohner des Landes gemeinsam mit den Gewerkschaftsbünden sowie Bauern- und Studierendenorganisationen zu einem Generalstreik auf.

Während der Präsident der UN-Vollversammlung, Miguel D’Escoto, eine Sondersitzung der Vereinten Nationen für Montag einberief, traten die Staatschefs der Bolivarischen Alternative ALBA, deren Mitglied Honduras seit 2008 ist, bereits am Sonntag abend in Managua zusammen. Auf Einladung des nicaraguanischen Präsidenten Daniel Ortega waren sowohl Manuel Zelaya als auch die Präsidenten von Venezuela, Hugo Chávez, von Ecuador, Rafael Correa, und von Bolivien, Evo Morales, vertreten. Kuba schickte Außenminister Bruno Rodríguez.

Zelaya kündigte an, daß er in dem Augenblick, an dem ALBA es für richtig halte, die Macht in Honduras wieder übernehmen werde, »denn ich habe jede moralische Autorität, jede Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, der OAS und jedes verfassungsmäßige Recht dazu«.

Erschienen am 30. Juni 2009 in der Tageszeitung junge Welt