»Der Staat holt sich Lizenzen zurück«

Zwei Fernsehsender und 32 Radiostationen mußten am vergangenen Wochenende in Venezuela ihren Betrieb einstellen. Damit hat die derzeit laufende Kampagne der venezolanischen Regierung zu einer Neuregulierung der Medienlandschaft in dem südamerikanischen Land einen neuen Höhepunkt erreicht, der von den Betreibern dieser kommerziellen Sender wie üblich als »Angriff auf die Meinungsfreiheit« verurteilt wurde.

Im Juni hatte die Nationale Kommission für Telekommunikation (Conatel), die für die technischen Sendeanlagen der Rundfunk- und Fernsehsender zuständige Behörde, einen Prozeß eingeleitet, durch den die teilweise vor Jahrzehnten erteilten Sendelizenzen auf ihre Gültigkeit überprüft wurden. Conatel forderte die Lizenzinhaber auf, sich persönlich bei der Behörde zu melden und ihre Sendegenehmigung vorzulegen. 86 und damit fast die Hälfte der auf Mittelwelle aktiven Stationen sowie 154 UKW-Stationen folgten der Aufforderung der Behörde nicht, und auch 45 lokale Fernsehstationen konnten keinen Lizenzinhaber vorweisen. Teilweise sind die ursprünglichen Inhaber der Lizenzen längst verstorben, womit die Genehmigung erloschen ist, was aber bislang keinen der Betreiber gekümmert hatte.

Die meisten der betroffenen Sender strahlten keine eigenen Sendungen aus, sondern waren Teil kommerzieller Ketten und übernahmen lediglich das Programm ihrer Zentrale. Das war einer der Auslöser für die Überprüfung, denn Conatel-Chef Diosdado Cabello, der zugleich Minister für öffentliche Arbeiten und Wohnungsbau ist, wies darauf hin, daß momentan keine Person in Venezuela mehr als fünf Sendelizenzen besitzt, während diese Ketten ihr Programm über Dutzende von Sender ausstrahlen.

»Die Eigentümer der Ketten wissen, daß sie sich illegal zwölf, 14, 15 oder sogar 20 Sender angeeignet haben«, kritisierte Cabello. Das sei eine Form von Großgrundbesitz in der Medienlandschaft. Deshalb gehe es auch nicht darum, Sender zu schließen, sondern die Rundfunklandschaft Venezuelas zu demokratisieren.

»Hier wird gesagt, daß wir Lizenzen entziehen, aber das stimmt nicht«, betonte Minister Cabello. »Der Staat holt sich nur die Lizenzen zurück, die mehr als 30 Jahre lang illegal genutzt wurden. Das ist ein Akt der Gerechtigkeit, um dem Volk mehr Macht zu geben«, betonte er.

Mit Blick auf die bekannteste Station, die von den Maßnahmen der Regierung betroffen ist, forderte Cabello die Besitzer der Senderkette Circuito Nacional Belfort (CNB) auf, ein Dokument vorzulegen, in dem ihnen Conatel die Nutzung der Frequenz 102,3 Mhz in Caracas erlaubt. Ursprünglich war die Lizenz auf eine Rosa Rodríguez de Guis-cafre ausgestellt worden, die später offiziell auf die Nutzung der Frequenz verzichtet hatte, als CNB dort begann, sein Programm auszustrahlen. Das kommerzielle Medienunternehmen hatte jedoch nie die für eine Genehmigung nötigen Schritte unternommen. CNB, das dem Unternehmer Nelson Belfort gehört, nutzte bislang über insgesamt 51 Sender auf UKW und Mittelwelle und hat seine Tätigkeit nach den Maßnahmen der Conatel auf das Internet verlagert.

Seit dem Amtsantritt von Hugo Chávez vor zehn Jahren hat die Zahl der Rundfunk- und Fernsehsender offiziellen Angaben zufolge deutlich zugenommen. Von 494 UKW-Sendern im Jahr 1998 stieg ihre Zahl auf aktuell 794, davon sind 472 Privatsender und 243 nichtkommerzielle Basissender, während weniger als ein Zehntel der Sender zum staatlichen Radio Nacional de Venezuela gehört. Im Bereich des Fernsehens gab es 1998 29 Privatkanäle und zwei staatliche Sender. Heute sind es 65 private, sechs staatliche und 37 Gemeindesender.

Erschienen am 8. August 2009 in der Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek