Ramelow gewählt

Bodo Ramelow ist trotz einer Zitterpartie neuer Ministerpräsident Thüringens. Im Landtag wurde der aus dem Westen stammende Linke am heutigen Freitag im zweiten Wahlgang mit allen 46 Stimmen der »rot-rot-grünen« Koalition gewählt. In der ersten Runde hatte er nur 45 Stimmen erhalten. Die CDU, die keinen Gegenkandidaten ins Rennen geschickt hatte, geht somit nach 24 Jahren Regierungszeit erstmals in Thüringen in die Opposition.

Im Vorfeld hatten die CDU, Berufsopfer und andere Rechte mit antikommunistischer Hysterie versucht, den Erfolg Ramelows zu verhindern. Am Donnerstag abend demonstrierten in Erfurt rund 1500 Menschen gegen eine von ihnen befürchtete »Rückkehr der SED«, die sie in der Koalition wittern. Auch der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Volker Kauder, machte im Vorfeld Stimmung. Zwar werde die Union ihre bundesweite Zusammenarbeit mit der SPD auch nach einem Erfolg Ramelows in Thüringen fortsetzen, aber »dennoch würde ich der SPD die Wahl eines linken Ministerpräsidenten nicht so schnell vergessen«.

Die Union hatte darauf spekuliert, dass Abweichler aus SPD oder Grünen einen dritten Wahlgang nötig gemacht hätten, bei dem die einfache Stimmenmehrheit ausgereicht hätte. Nach Informationen des MDR wollte die CDU in diesem Fall den ehemaligen Jenaer Universitätsrektor Klaus Dicke gegen Ramelow ins Rennen schicken. »Wenn Ramelow zweimal scheitert an seiner eigenen Koalition, ist Dicke unser überparteiliches Angebot an diejenigen, die Ramelow in den dritten Wahlgang gezwungen haben«, sagte Mohring dem Sender. Dass die CDU damit stillschweigend auf die Unterstützung der AfD setzte, erwähnte er nicht. Die bisherige CDU-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) hatte ausgeschlossen, selbst anzutreten.

Die Sozialdemokraten hoffen darauf, die Linken als Regierungspartei zu entzaubern. Thüringens SPD-Vorsitzender Andreas Bausewein, kündigte den Linken eine »Konfrontation mit der Realität« in der künftigen Landesregierung an. »Sie kann nur das Geld ausgeben, das da ist«, sagte Bausewein in einem Interview der Thüringischen Landeszeitung.

Kritik an Ramelow kommt aber auch von links. Der DKP-Vorsitzende Patrik Köbele erklärte gegenüber junge Welt, Die Linke sage selbst, man werde »nicht alles anders, aber manches besser« machen. »Diese ewigen Stehsätze des Parlamentarismus sind hohl und machen trotzdem deutlich: Vom Politikwechsel ist nicht mehr die Rede, Kniefall und Anpassung haben gesiegt. Das ist kein Anlass zum Jubeln.« Ekkehard Lieberam vom Marxistischen Forum der sächsischen Linkspartei schreibt in der heutigen Ausgabe der jW: »Diese Regierung des Freistaates wird gewiss die seit Ende September deutlich gewordene Kluft zwischen führenden Politikern der Linkspartei sowie Mitgliedern und Anhängern in Sachen DDR vor allem im Osten verschärfen. (…) Der Konflikt zwischen Politikern der Linkspartei, die nun zum großen Angriff auf die Rechtmäßigkeit der DDR aufrufen und einer Anhängerschaft, die in ihrer großen Mehrheit ihre Organisation bisher als Verteidigerin der Legitimität der DDR ansahen und schätzten, hat das Potential für eine anhaltende Parteikrise. Die Politiker signalisieren Anpassung. Wähler und Mitglieder sind in ihrer großen Mehrheit irritiert oder empört über die Bereitschaft, ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal im Interesse von Regierungstauglichkeit zu entsorgen.«

Erschienen am 5. Dezember 2014 in der Onlineausgabe der Tageszeitung junge Welt