Querfront in Ecuador

Nach dem von der Opposition in Ecuador in der vergangenen Woche ausgerufenen Generalstreik ziehen beide Seiten Bilanz. »Sie wurden wieder einmal besiegt«, konstatierte Staatspräsident Rafael Correa das Scheitern des 24stündigen Ausstandes am Donnerstag, von dem »das Land nichts gespürt« habe. Demgegenüber bejubelte der Chef der linksradikalen »Volksfront« (FP), Nelson Erazo, den »Erfolg« der Protestaktion. Tatsächlich jedoch blieb die Teilnehmerzahl bei den diversen Aktionen hinter den Erwartungen der Organisatoren zurück, während Tausende Menschen im Zentrum der Hauptstadt Quito ihre Unterstützung für Correa demonstrierten. Selbst die erzkonservative venezolanische Tageszeitung El Universal, die keiner Sympathie für die linken Regierungen Lateinamerikas verdächtig ist, konstatierte: »Der für Donnerstag in Ecuador ausgerufene nationale Streik konnte nicht auf große Unterstützung der Bevölkerung zählen, und der Rückgang des allgemeinen Verkehrs erwies sich überall im Land als geringer als prognostiziert.« Trotzdem dürfte es der wohl größte Protest gegen Correa seit dessen Amtsantritt 2007 gewesen sein.

Während in staatlichen Medien vor allem über Angriffe militanter Demonstranten auf Polizisten oder Reporter der regierungseigenen Nachrichtenagentur ANDES berichtet wurde, beklagten die Oppositionellen eine »brutale Unterdrückung« der Streikdemonstrationen. Fernsehbilder zeigen allerdings, wie vermummte Jugendliche mit Holzlatten auf Polizisten einschlugen, die der Demonstration den Vormarsch in das Zentrum von Quito versperrten. In anderen Teilen des Landes kam es zu Auseinandersetzungen, als Sicherheitskräfte die Blockade wichtiger Fernstraßen beendeten.

Die Proteste der Opposition in Ecuador halten seit Wochen an. Dabei sind die konkreten Anlässe für die Aktionen vielfältig und reichen von Lohnforderungen bis hin zu umweltpolitischen Anliegen. Letztlich wird das extrem heterogene Bündnis der Regierungsgegner jedoch nur von einem gemeinsamen Nenner zusammengehalten: Correa muss weg. Und so demonstrierten die Maoisten der PCMLE und die Aktivisten der Indigenenorganisation CONAIE Seite an Seite mit dem »Bananenkönig« Álvaro Noboa, der als reichster Mann des Landes gilt. Dieser hatte in Zeitungsanzeigen die »Freunde« der diversen konkurrierenden Parteien – ausdrücklich genannt wurden etwa die Maoisten, die Indígena-Partei Pachakutik oder die »Patriotische Gesellschaft« des Expräsidenten Lucio Gutiérrez – dazu aufgerufen, sich »um die Forderung des ecuadorianischen Volkes nach Rückkehr zur Demokratie« zu vereinen. Dieser Streik sei »nicht organisiert, sondern spontan, friedlich und von Herzen«. Bei seiner Ansprache vor den Demonstranten in Guayaquil phantasierte er, die Wahl 2006, die Correa gewonnen hatte, sei »die letzte freie Wahl« gewesen, seither seien »alle Wahlen wie die in Kuba« gewesen. Bei der Präsidentschaftswahl 2013 war Noboa selbst zum wiederholten Mal gegen Correa angetreten und abgeschlagen bei 3,72 Prozent der Stimmen geblieben.

Die mit Correa verbündete Kommunistische Partei Ecuadors (PCE) sieht in den Aktionen der Opposition »faschistoide Aufmärsche mit Unterstützung der CIA«. Bei einer Pressekonferenz hatten Sprecher der Partei ihre Mitglieder und alle revolutionären Organisationen aufgerufen, gegen den »reaktionären Putschversuch« auf die Straße zu gehen. In Quito und anderen wichtigen Städte wehten daraufhin die roten Fahnen der PCE neben den grünen Bannern von Correas Alianza PAIS. Ihnen ging es auch darum, einen »neuen 30. September« zu verhindern. 2010 mündeten Proteste von streikenden Polizisten in einem Putschversuch, als Correa zeitweilig von den rebellierenden Beamten festgesetzt worden war und von Soldaten befreit werden musste. Auch damals waren die Aufständischen von der rechten wie ultralinken Opposition unterstützt worden.

Erschienen am 18. August 2015 in der Tageszeitung junge Welt