Putschversuch in Venezuela: Schreibtischtäter

Das war nichts anderes als Stimmungsmache zur Unterstützung eines Militärputsches gegen die gewählte Regierung eines Landes: Die Art und Weise, wie die meisten Massenmedien in der Bundesrepublik über den gescheiterten Versuch eines Staatsstreichs am Dienstag in Caracas berichtet haben, hatte mit Journalismus wenig, mit Hetze und Manipulation dafür umso mehr zu tun.

Uniformierte Soldaten hatten sich am Morgen vor der Luftwaffenbasis La Carlota in Caracas postiert. Zuvor hatten sie den wegen Aufrufen zur Gewalt verurteilten Politiker Leopoldo López aus dem Hausarrest geholt, und der selbsternannte »Präsident« Juan Guaidó rief in dieser Gemeinschaft das Militär zum Sturz der Regierung von Präsident Nicolás Maduro auf.

Bei der Deutschen Presseagentur hieß es dazu am Dienstag abend: »Nach der Rebellion einiger Soldaten gegen den venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro wollen regierungstreue Banden den sozialistischen Staatschef mit Waffengewalt verteidigen.« Die Sprache ist verräterisch: Die Putschisten sind »rebellierende Soldaten«, während Basisgruppen, die zur Verteidigung der legitimen Regierung auf die Straße gehen, als »Banden« oder, in derselben Meldung, als »Gangs« bezeichnet werden. Natürlich wollen diese die »Waffengewalt« – und nicht die revoltierenden Militärs.

Kaum anders die »Tagesschau« der ARD um 20 Uhr, die sich für das Flaggschiff seriöser Berichterstattung in Deutschland hält. Im Filmbericht werden Demonstranten gezeigt, die einen Zaun eingerissen haben und sich Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften liefern. Kein Wort davon, dass es sich um einen Angriff auf den Luftwaffenstützpunkt La Carlota handelte, also um eine Attacke auf militärisches Sperrgebiet. Auch in Deutschland stehen an der Umgrenzung solcher Territorien Schilder mit der Warnung »Vorsicht, Schusswaffengebrauch!« Von den Tausenden Unterstützern der Regierung, die sich zeitgleich am Präsidentenpalast Miraflores im Zentrum von Caracas versammelten, um gegen den Putschversuch zu protestieren, kein Wort im »Ersten«.

Das entspricht der Linie der Bundesregierung. Außenminister Heiko Maas (SPD) – der kein Problem hatte, sich am Dienstag mit Brasiliens faschistischem Staatschef Jair Bolsonaro zu treffen – teilte angesichts der Ereignisse in Caracas mit: »Unsere Unterstützung für Juan Guaidó hat sich in keiner Weise geändert.« Und im selben Atemzug: »Wir wollen nicht, dass es eine Entwicklung gibt, in der die Waffen sprechen.« Jetzt müsse es »erst einmal« darum gehen, »verantwortungsvoll zu handeln«, so Maas. Diesen Ratschlag könnte er gern einmal selbst beherzigen. Denn die Lage in Caracas ist am Dienstag eskaliert, weil sich von Guaidó angeführte Soldaten gegen die Regierung erhoben hatten. Sie haben das Feuer auf La Carlota eröffnet. Für alles, was danach geschah, tragen Guaidó und die übrigen Putschisten die Verantwortung. Auch die USA und Kolumbien, die sich sofort hinter diese Verbrecher gestellt haben. Und mit seinen Äußerungen auch Heiko Maas.

Erschienen am 2. Mai 2019 in der Tageszeitung junge Welt