Putschversuch in Venezuela: »Frei und fair«

Was sich in Venezuela derzeit ereignet, ist nichts anderes als ein aus dem Ausland gelenkter Putsch. Selbst wenn man akzeptieren würde, dass Präsident Nicolás Maduro nicht legitimiert sei – Juan Guaidó, der sich am Mittwoch selbst zum Staatschef ernannt hat, ist es jedenfalls auch nicht.

In Venezuela wird über den Präsidenten in Wahlen entschieden. Bei den letzten Präsidentschaftswahlen am 20. Mai 2018 wurde Maduro wiedergewählt – ungefährdet, weil große Teile der Opposition die Abstimmung boykottierten. Das aber kann man nicht dem Staatschef anlasten. Doch die Wahlen seien nicht »frei und fair« gewesen, heißt es. Belege dafür vorzulegen, wird nicht für nötig gehalten. Tatsächlich aber fand die Präsidentschaftswahl 2018 unter den gleichen Rahmenbedingungen statt wie die von der Opposition gewonnene Parlamentswahl 2015. Das war auch ein Ergebnis der monatelangen Verhandlungen, die unter Vermittlung mehrerer lateinamerikanischer Regierungen und des früheren spanischen Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero geführt worden waren. Als das Abkommen Anfang letzten Jahres fertig war, verweigerten die Rechten ihre Unterschrift, was Zapatero damals zu einem wütenden Brandbrief an die Oppositionsführer veranlasste.

Letztlich geht es ohnehin nicht um die Frage, ob die Wahl »frei und fair« war – ginge es den USA darum, hätten sie nie das durch offenkundige Manipulationen ins Amt gekommene Regime in Honduras anerkennen dürfen. Es geht darum, dass die USA es nicht akzeptieren wollen, wenn sich in ihrem Hinterhof eine Regierung hartnäckig weigert, den Befehlen aus dem Weißen Haus zu folgen. Caracas hat sich mit Russland, China und Kuba verbündet – und sich gegen die Allmachtsphantasien des »Nordens« gestellt. Das verzeiht Uncle Sam nicht.

Sollten Trump und seine Leute mit ihrem Kurs durchkommen, könnte das letztlich das Ende freier Wahlen überall auf der Welt bedeuten. Denn dann könnte sich jederzeit irgendein Oppositionsführer hinstellen und erklären, er sei jetzt der neue Staatschef – es käme nur darauf an, dass er die richtige Schutzmacht hinter sich hat.

Was wäre wohl los, wenn sich ein Oppositionspolitiker in der Ukraine zum neuen Staatschef proklamieren würde, weil der gegenwärtige nicht legitimiert sei – und dann sofort die Anerkennung durch Russland folgte? Würde Cem Özdemir dann auch die Bundesregierung auffordern, den neuen Staatschef zu akzeptieren? Oder wie wäre es, wenn sich Nancy Pelosi, die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, im aktuellen Haushaltskonflikt einfach selbst zur Präsidentin erklären würde?

In dieser Situation ist die Stimme Mexikos erfrischend. Die Regierung von Andrés Manuel López Obrador bekräftigt das Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder. Man werde sich deshalb nicht an der Nichtanerkennung eines Regierung beteiligen, mit der man diplomatische Beziehungen unterhält, hieß es von dort. Herr Bundesaußenminister, schreiben Sie doch so etwas einfach mal ab!

Erschienen am 25. Januar 2019 in der Tageszeitung junge Welt