Putschversuch in Ecuador gescheitert

In Ecuador sind am Donnerstag (Ortszeit) Auseinandersetzungen um Bonuszahlungen für Polizeibeamte zu einem Putschversuch gegen Staatspräsident Rafael Correa eskaliert. Meuternde Polizisten besetzten den internationalen Flughafen der Hauptstadt Quito und stürmten einen Fernsehsender und das Parlamentsgebäude. Als Correa versuchte, mit den Beamten ins Gespräch zu kommen, wurde er von diesen tätlich angegriffen und mit einer Tränengasgranate beworfen. Verletzt wurde er in ein Krankenhaus gebracht, das von den Aufständischen daraufhin belagert wurde. In einem Telefongespräch mit dem staatlichen Rundfunk erklärte der Staatschef, er fürchte um sein Leben. Erst nach zwölf Stunden konnten regierungstreue Militärs das Gebäude stürmen und Correa befreien. Bei Gefechten wurden Informationen des Roten Kreuzes zufolge mindestens drei Menschen getötet. Die Regierung verhängte für fünf Tage den Ausnahmezustand über das Land.

Ursprünglicher Hintergrund der Proteste war eine Gesetzesänderung, die das Parlament am Mittwoch beschlossen hatte. Die meuternden Polizisten sahen darin eine Gehaltskürzung. Correa wies dies zurück. Tatsächlich seien finanzielle Prämien gestrichen worden, die bei Beförderungen ausgezahlt wurden. Die dafür bislang aufgewendeten 15 Millionen US-Dollar im Jahr sollten statt dessen in eine Verbesserung der Lebensbedingungen aller Polizisten investiert werden. Ecuadors Polizeichef Freddy Martínez erklärte am Freitag seinen Rücktritt, nachdem es ihm am Donnerstag nicht gelungen war, die Polizisten zu beruhigen.

Noch während Correa um sein Leben fürchten mußte, gingen in Quito und anderen Städten des Landes Tausende Menschen gegen die Putschisten auf die Straße. Angeführt von Ecuadors Außenminister Ricardo Patiño, zogen sie zu dem belagerten Krankenhaus. Dort versperrten ihnen die rebellierenden Beamten den Weg und setzten Tränengas gegen die Menge ein. Augenzeugen berichteten auch von Schüssen.

International wurden die Ereignisse mit Bestürzung aufgenommen. Noch in der Nacht zum Freitag versammelten sich sieben südamerikanische Staats- und Regierungschefs in Buenos Aires zu einem außerordentlichen Gipfeltreffen der Union Süd­amerikanischer Nationen (UNASUR). Noch am Freitag reisten außerdem die Außenminister der Mitgliedsstaaten zu einem Solidaritätsbesuch nach Quito. Bundesaußenminister Guido Westerwelle reagierte hingegen erst am Freitag nachmittag auf die Ereignisse und rief zu einem Gewaltverzicht auf. Für die Außenpolitikerin Sevim Dagdelen (Die Linke) wirft diese »nicht eindeutige Verurteilung« des versuchten Staatsstreichs »nach der FDP-Unterstützung für den Putsch in Honduras erneut ein trübes Licht auf die deutsche Außenpolitik hinsichtlich Lateinamerika«. Es sei schon bemerkenswert, daß sich die Bundesregierung im Gegensatz zu Spanien und Frankreich erst nach dem Scheitern des Putsches erklärt habe, so die Abgeordnete gegenüber jW. Auch Linke-Fraktionschef Gregor Gysi solidarisierte sich mit Correa und forderte die Bundesregierung auf, den Angriff auf die verfassungsmäßige Ordnung zu verurteilen.

Erschienen am 2. Oktober 2010 in der Tageszeitung junge Welt