Putschisten wollen wählen

Mehr als zwei Monate nach dem Staatsstreich gegen den rechtmäßigen Präsidenten Manuel Zelaya zeichnet sich in Honduras kein Ausweg aus der Krise ab. Die Putschisten hätten sich geirrt, als sie glaubten, daß die Bevölkerung den Bruch der verfassungsmäßigen Ordnung hinnehmen und die Proteste nach wenigen Tagen abflauen würden, sagte der Gewerkschaftsführer und Koordinator der Widerstandsfront, Juan Barahona. »Das Volk ist erwacht, und der Kampf des Volkes wird so lange weitergehen, bis die Niederlage der Putschisten und die Wiedereinsetzung des rechtmäßigen Präsidenten Manuel Zelaya erreicht ist«, betonte er. Aber auch nach einer Rückkehr Zelayas werde der Kampf noch nicht beendet, denn dann gehe es um die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung. Das Ziel müsse ein Grundgesetz sein, das eine wirkliche partizipative Demokratie und soziale Veränderungen vorsieht, erklärte Barahona.

Die angestrebte Einberufung einer solchen Verfassunggebenden Versammlung hatte den Putschisten am 28. Juni als Vorwand für den Sturz des Präsidenten gedient. Costa Ricas Präsident Óscar Arias hatte später einen Vorschlag vorgelegt, wonach Zelaya im Gegenzug zu seiner Wiedereinsetzung in das Präsidentenamt auf die Ausarbeitung einer neuen Verfassung verzichten solle. Zelaya hatte diese Kröte geschluckt, damit »Ruhe und Frieden« nach Honduras zurückkehren könnten. Aber das Putschistenregime von Roberto Micheletti hatte sich stur gestellt und die Annahme des »Abkommens von San José« verweigert.

Mit ihrer starrsinnigen Haltung erschweren es die Putschisten nun sogar ihren heimlichen Freunden in Wa­shington, eine solche Lösung der Krise zu finden, durch die zwar die formelle Demokratie in Honduras wiederhergestellt, Zelayas Kurs sozialer Veränderungen aber gestoppt würde. Nichts anderes sei das Ziel der Vermittlung Arias’ gewesen, kritisierten auch enge Berater des rechtmäßigen Präsidenten. Nun mehren sich nach Informationen der honduranischen Botschaft in Washington sogar im State Department, dem US-Außenministerium, Stimmen, die eine offizielle Verurteilung von Zelayas Sturz als Staatsstreich und damit verbunden die völlige Einstellung jeder Wirtschaftshilfe für die Putschisten verlangen.

Mit Spannung wurde deshalb am Dienstag eine Sondersitzung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in Washington erwartet, bei der auch Manuel Zelaya das Wort ergreifen sollte. Der honduranische Staatschef wollte dabei Berichten zufolge einen Antrag einbringen, nach dem alle Mitgliedsstaaten der Organisation die von den Putschisten für den 29. November geplanten allgemeinen Wahlen in Honduras nicht anerkennen. »Diese Wahlen bringen nur die honduranische Demokratie in Gefahr«, hatte er bereits zuvor in einem Interview mit dem gegen die Putschisten eingestellten Rundfunksender Radio Globo gesagt.

Durch den Beginn des Wahlkampfes am 1. September hat sich die politische Lage in Honduras weiter verkompliziert. Weil die offizielle Einberufung der Wahlen noch vor dem Staatsstreich erfolgt war, stehen auch zwei linke Kandidaten auf der Liste, die sich offen gegen den Putsch ausgesprochen haben. César Ham von der Linkspartei Unificación Democrática (UD) und der unabhängige Kandidat Carlos H. Reyes wurden in den vergangenen Wochen selbst Opfer der Repression von Polizei und Militär und verweigern sich dem Versuch der übrigen vier Kandidaten, vom Putsch abzulenken und einen »ganz normalen« Wahlkampf zu führen.

In einem Gespräch mit der kubanischen Tageszeitung Juventud Rebelde bestätigte auch Juan Barahona, daß die Widerstandsbewegung zur Stimmenthaltung aufrufen werde, wenn die Wahlen unter Kontrolle der Putschisten stattfinden: »Dann würden wir die Kandidaten zurückziehen. Der unabhängige Kandidat Carlos H. Reyes und der Abgeordnete César Ham von der UD haben die Entscheidung getroffen, nicht anzutreten, wenn die Wahlen unter dem De-facto-Regime stattfinden. Aber wenn sie unter dem Mandat von José Manuel Zelaya Rosales stattfinden, würden wir mit dem Kandidaten der Volksbewegung antreten, und das ist Carlos H. Reyes.«

Erschienen am 2. September 2009 in der Tageszeitung junge Welt