Putsch am 15. Mai?

Nach Ausschreitungen rechter Demonstranten am Mittwoch (Ortszeit) in Maracaibo im Nordwesten Venezuelas hat der Präsident des südamerikanischen Landes, Nicolás Maduro, die Bevölkerung zum Widerstand gegen die Gewalt aufgerufen. »Ich appellieren an das gesamte Volk, diese Akte zu verurteilen. Lasst uns die Gewalttäter isolieren, fassen und einsperren«, sagte er im staatlichen Fernsehen VTV.

Führende Vertreter der Regierung werfen der Opposition vor, durch Provokationen die Lage im Land zu destabilisieren, um so die Voraussetzungen für einen Staatsstreich zu schaffen. Konkreter wurde am Mittwoch der Vizechef der regierenden Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV), Diosdado Cabello. In seiner wöchentlichen Fernsehsendung warf er dem früheren Ernährungsminister Hebert García Plaza vor, den US-Geheimdiensten genaue Informationen über die Orte übergeben zu haben, an denen die venezolanischen Streitkräfte ihre Waffen lagern. Für den 15. Mai habe der in Venezuela wegen Korruption gesuchte Generalmajor gegenüber seinen Gewährsleuten einen Putsch gegen die Regierung von Präsident Maduro angekündigt, so Cabello.

Die politische Lage im Land ist seit Monaten angespannt. Der niedrige Ölpreis sowie die schwerste Dürre seit 50 Jahren haben eine Wirtschafts- und Energiekrise ausgelöst. Die Behörden reagieren darauf mit stundenweisen Stromabschaltungen und der Dekretierung von arbeitsfreien Tagen. Außerdem werden am 1. Mai die Uhren um eine halbe Stunde vorgestellt, um, so die Hoffnung, das Tageslicht besser ausnutzen zu können. Gleichzeitig liefern sich das von der rechten Opposition kontrollierte Parlament und die Regierung einen Machtkampf, der immer wieder vor dem Obersten Gerichtshof TSJ ausgetragen wird. So hatten die Richter am Montag festgestellt, dass eine vom Parlament angestrebte Verkürzung der Amtszeit des Präsidenten nicht rückwirkend auf den jetzt amtierenden Staatschef angewandt werden kann.

Am Dienstag gab der Oberste Wahlrat (CNE) einem Antrag der Opposition auf Einleitung des Amtsenthebungsreferendums gegen Maduro statt. Wie die Behörde auf ihrer Homepage mitteilte, müssen die Regierungsgegner nun innerhalb von 30 Tagen die Unterschriften von einem Prozent der Wahlberechtigten – 197.978 Personen – beibringen, um den eigentlichen Prozess in Gang zu setzen. Das werde man »innerhalb von Stunden« schaffen, kündigte der Oppositionspolitiker Henrique Capriles am Mittwoch an. Um tatsächlich eine Abstimmung über die Absetzung von Maduro zu erreichen, sind später in einem weiteren Schritt die Unterstützungserklärungen von 20 Prozent der Wahlberechtigten notwendig. Wenn die Regierungsgegner diese Zahl vorlegen, kommt es zur Abstimmung, bei der mehr Venezolaner für die Amtsenthebung Maduros stimmen müssten, als ihn 2013 gewählt haben.

Erschienen am 29. April 2016 in der Tageszeitung junge Welt