Prima Klima für Konzerne

Am Wochenende nach dem großen »globalen Klimastreik«, an dem sich nach Angaben der Organisatoren weltweit rund vier Millionen Menschen beteiligt haben, lief die Umarmung der Protestierenden auf Hochtouren. UN-Generalsekretär António Guterres empfing am Sonnabend in New York rund 500 Jugendliche zu einem »Jugendgipfel« und lobte wortreich ihr Engagement. Sie hätten einen »Moment des Wandels« herbeigeführt. Greta Thunberg, die vor gut einem Jahr mit ihrer Protestaktion vor dem schwedischen Parlament in Stockholm die »Fridays for Future«-Bewegung initiiert hatte, bilanzierte die Aktionen des 20. September: »Wir haben gezeigt, dass wir vereint sind und dass wir Jugendlichen unaufhaltsam sind!«

Konkreter wurde Komal Kumar von den Fidschi-Inseln. Ihre Heimat sei von den dramatischen Folgen der Erderwärmung in besonderer Weise betroffen, obwohl sie sehr wenig zu ihr beigetragen habe. »Wir sind keine Versicherungspolicen, wir sind Menschen! Hört auf, die Arbeit für eine nachhaltige Zukunft zu behindern, um schnelle Profite zu machen!« Wanjuhi Njoroge aus Kenia kündigte an, dass die Jugendbewegung eine Revolution auslösen werde. »Es muss uns erlaubt werden, Einfluss auf Klimaentscheidungen zu nehmen«, verlangte sie. Bruno Rodríguez aus Argentinien verlangte, gegen das »kriminelle Verhalten der Großkonzerne« vorzugehen: »Genug ist genug! Wir wollen keine fossilen Brennstoffe mehr!«

Ab dem heutigen Montag sind solche Töne in New York nicht mehr vorgesehen. Zum »offiziellen« Teil des »Climate Action Summit«, des Klima-Aktionsgipfels, sind nicht nur Staats- und Regierungschefs wie Bundeskanzlerin Angela Merkel oder Frankreichs Präsident Emmanuel Macron angekündigt, sondern vor allem Vertreter global aktiver Großkonzerne. Die Chefs des dänischen Energieriesen Orsted, des spanischen Stromproduzenten Iberdrola, des französischen Lebensmittelmultis Danone oder von »Willis Towers Watson«, einem global agierenden Versicherungsmaklerunternehmen aus Irland, geben sich das Mikrofon in die Hand. Wenig zu erwarten ist auch von Mark Carney, dem Chef der Bank of England, Werner Hoyer von der Europäischen Investitionsbank, dem ehemaligen Microsoft-Chef William »Bill« Gates oder dem Präsidenten der Weltbank, David R. Malpass. Da können die Regierungschefs aus Fidschi, Jamaika, Barbados oder Palau noch so eindringlich auf die Folgen der Klimakatastrophe für ihre Inselstaaten hinweisen.

Vor einer »Klima-Apartheid« warnt bereits der UN-Sonderberichterstatter über extreme Armut und Menschenrechte, Philip Alston. Die Welt riskiere ein Szenario, »in dem die Reichen zahlen, um vor Hitze, Hunger und Konflikten zu flüchten, und der Rest der Welt zurückgelassen wird und leidet«, schrieb er in einem am vergangenen Dienstag in Genf veröffentlichten Bericht. »Es ist pervers: Obwohl die Menschen in Armut nur für einen winzigen Teil der globalen Emissionen verantwortlich sind, tragen sie die Hauptlast des Klimawandels, und sie haben die wenigsten Möglichkeiten, sich zu schützen.« Selbst wenn die Klimaziele für eine Begrenzung des Temperaturanstiegs um 1,5 bis 2 Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter erreicht würden, könnten bis 2030 mehr als 120 Millionen Menschen in die Armut abrutschen.

Wie aus einem am Sonntag in Genf vorgelegten Bericht der Weltwetterorganisation (WMO) hervorgeht, war die Zeit von 2015 bis 2019 die heißeste Fünfjahresperiode seit Beginn der Messungen vor rund 150 Jahren. Die durchschnittliche Temperatur weltweit habe in diesem Zeitraum um 1,1 Grad über jener der vorindustriellen Zeit gelegen.

Erschienen am 23. September 2019 in der Tageszeitung junge Welt