Präsident ante portas

Erneuter Nervenkrieg in Katalonien: Am heutigen Dienstag sollen die Abgeordneten des Regionalparlaments in Barcelona den neuen Präsidenten der Generalitat de Catalunya wählen. Einziger Kandidat ist Carles Puigdemont, der bereits bis zu seiner Absetzung durch Madrid im Oktober an der Spitze der katalanischen Regierung stand. Eine Mehrheit gilt als sicher, denn die für die Unabhängigkeit der Region eintretenden Parteien wollen den Politiker »in seinem Amt bestätigen«, weil sie die Zwangsmaßnahmen der spanischen Zentralregierung nicht akzeptieren.

Puigdemont wird in Spanien allerdings mit Haftbefehl gesucht, ihm drohen 30 Jahre Haft wegen »Rebellion«. Der liberale Politiker hatte sich deshalb nach Brüssel abgesetzt. Für die erneute Wahl zum Regierungschef muss er aber persönlich in Barcelona erscheinen. Das entschied am Wochenende das spanische Verfassungsgericht und verhinderte damit eine Teilnahme per Videoübertragung aus dem Exil. Zudem brauche Puigdemont eine Erlaubnis von Richter Pablo Llarena, der am Obersten Gerichtshof Spaniens die Ermittlungen gegen ihn und andere führende Politiker wegen des Unabhängigkeitsreferendums vom 1. Oktober leitet.

Puigdemont zeigte sich am Montag jedoch entschlossen, an seiner Kandidatur festzuhalten. In einem von der Tageszeitung Ara veröffentlichten Schreiben an den katalanischen Parlamentspräsidenten Roger Torrent bat er um Schutz vor einer drohenden Verhaftung und berief sich dabei auf seine Immunität als gewählter Abgeordneter des Parlaments. Sein Rechtsanwalt Jaume Alonso-Cuevillas wollte am Montag gegenüber dem Onlineportal Vilaweb nicht ausschließen, dass Puigdemont trotz der Behinderung durch die spanische Staatsmacht tatsächlich im Parlament erscheint. Dagegen sei es »immer unwahrscheinlicher«, dass sich der Kandidat von Richter Llarena seinen Auftritt genehmigen lassen werde. »Wir wollen nicht hinnehmen, dass eine vorherige juristische Genehmigung Voraussetzung für die Wahl des Präsidenten der Generalitat sein kann«, so Alonso-Cuevillas.

Madrid fürchtet offenkundig einen Coup Puigdemonts. Seit Tagen sind unzählige Polizeifahrzeuge um das Parlamentsgebäude aufgefahren und blockieren die Zugänge. Beamte der Nationalpolizei inspizierten sogar die Kanalisation, um vermutete Wege zum Parlament zu versperren.

Erschienen am 30. Januar 2018 in der Tageszeitung junge Welt