Polizei terrorisiert das Schanzenviertel

Nach einem weitgehend friedlichen Ausklang der Großdemonstration gegen den G-20-Gipfel in Hamburg ist die Lage am späten Abend erneut eskaliert. Die Polizei riegelte mit einem Großaufgebot das Schanzenviertel komplett ab, setzte Wasserwerfer und Pfefferspray ein. Bis zum jetzigen Zeitpunkt in der Nacht wird die Belagerung aufrechterhalten. Greiftrupps machten Jagd auf einzelne Menschen, jW-Journalisten wurden von den Einsatzkräften abgedrängt. Medienberichten zufolge waren auch erneut mit Schnellfeuergewehren ausgerüstete Angehörige der GSG 9 im Einsatz.

Wie die jW-Reporter vor Ort beobachteten, ging die Polizei am Neuen Pferdemarkt mehrfach mit Wasserwerfern gegen die dort vollkommen gewaltfrei versammelten Menschen vor. Viele wurden in die Straße Schulterblatt getrieben und saßen damit in der Falle. Denn auf der entgegensetzten Seite, an der Altonaer Straße, versperrten Polizeiketten, Wasserwerfer und ein Räumpanzer den Fluchtweg.

Über Twitter begründete die Polizei ihr Vorgehen mit dem Einsatz gegen »Störer«, der NDR berichtete, dass erneut ein Supermarkt geplündert worden sei. Demgegenüber schrieb das Boulevardblatt Hamburger Morgenpost, dass die Polizei am Neuen Pferdemarkt Pfefferspray gegen Personen eingesetzt habe, die friedlich auf der Straße gesessen hätten und problemlos von den Beamten hätten weggetragen werden können.

Schon gegen 19 Uhr hatte eine Beweis- und Festnahmeeinheit die Eingänge des Flora-Parks am Schulterblatt abgesperrt und durchkämmt. Es wurden mehrere Menschen kontrolliert, von einigen wurden die Personalien aufgenommen. Herumliegende Rucksäcke wurden durchsucht. Offenbar wurden zwei Menschen festgenommen.

Wenig später führte eine weitere vom Schulterblatt kommende Einheit einen Mann durch die Juliusstraße in Richtung Lippmannstraße ab. Die auf dem Platz vor der Roten Flora versammelte Menge bekundete lautstark ihren Unmut.

Gegen 21 Uhr hatte sich die Lage jedoch wieder beruhigt. Während rund um das Schanzenviertel starke Polizeikräfte positioniert waren, sah man im Viertel selbst keine Beamten. Auf der Straße vergnügten sich Tausende Menschen, dem Anschein nach ganz normale Wochenend-Partygänger, keine Angehörige einer »autonomen Szene«. Es wurde getrunken und geredet.

Im Gespräch mit junge Welt zeigten sich Opfer des Polizeieinsatzes entsetzt. Ein englischsprachiger Tourist zeigte sich fassungslos: »Die Menschen haben einfach nur auf der Straße gesessen und getrunken, da war nichts!« Ein anderer Mann, der sich eine Verletzung an der Hand zugezogen hatte, berichtete, dass er mit fünf Bekannten vor einer Gaststätte gesessen habe, als plötzlich und ohne jeden Anlass die Polizisten die Straße gestürmt hätten. »Ich war bisher immer für solche Einsätze, aber das war eine reine Provokation«, sagte er. Niemand dürfe sich wundern, wenn nach diesem Vorgehen die Lage in der Nacht endgültig eskaliere.

Verfasst gemeinsam mit Georg Hoppe

Erschienen am 9. Juli 2017 im Online-Spezial »No G20« der Tageszeitung junge Welt