Paraguay vor dem Putsch?

Steht nun auch Paraguay vor einem Staatsstreich nach honduranischem Muster? Teile der »Radikalen Authentischen Liberalen Partei« (PLRA) wollen den seit 15 Monaten amtierenden Präsidenten des südamerikanischen Landes, Fernando Lugo, durch einen politischen Prozeß stürzen. »Lugo bleiben nur noch sechs Monate an der Spitze der Regierung«, verkündete der PLRA-Senator Alfredo Luis Jaeggli am Dienstag.

Die PLRA hatte im vergangenen Jahr das Wahlbündnis »Patriotische Allianz für den Wandel« unterstützt, durch das Lugo bei der Wahl am 20. April 2008 die jahrzehntelange Herrschaft der rechten Colorado-Partei beenden konnte. Mittlerweile ist die Partei, die Mitglied der Liberalen Internationale ist, in sich zersplittert. Im Unterhaus des Parlaments stehen sich zwei Lager gegenüber, im Senat ist die PLRA sogar in drei Fraktionen gespalten. Während Jaeggli und weitere Vertreter seiner Richtung Präsident Lugo vorwerfen, ein »anderes Modell«, einen grundsätzlichen politischen Wandel, anzustreben, stehen andere Abgeordnete weiter auf dessen Seite. So Blas Llano, der gegenüber der kubanischen Agentur Prensa Latina warnte, »keine Form von Staatsstreich, Verschwörung oder Destabilisierung« könne den von der Regierung eingeleiteten Veränderungsprozeß aufhalten.

Auch Lugo sieht offenbar die Gefahr eines Putsches. Anfang des Monats hatte er die Befehlshaber der paraguayischen Teilstreitkräfte abgesetzt und ihnen vorgeworfen, sich von der Opposition benutzen zu lassen. »Nichts und niemand wird uns aus dem Regierungssitz, dem López-Palast, vertreiben, denn das hat das Volk so entschieden«, erklärte der Präsident in diesem Zusammenhang und zeigte sich überzeugt davon, daß sich die Streitkräfte nicht für einen Putsch mißbrauchen lassen würden.

Lugos Katastrophenschutzminister Camilo Soares erinnerte an rechte Parteien mit starken Verbindungen in Kreise des Militärs, die in der Vergangenheit mehrfach Putschversuche unterstützt hätten: »Es gibt viele Politiker, die ihre Wurzeln im Militarismus haben. Aber heute bin ich absolut sicher, daß es in den Streitkräften keinen Bereich gibt, der sich für so ein Abenteuer hergeben würde.« Viel gefährlicher sei »irgendeine Form von institutionellem Putsch«, den einige »rückwärtsgewandte Sektoren« anstrebten.

Diesen Sektoren scheint sich auch Lugos Vizepräsident Federico Franco anzunähern, der ebenfalls der PLRA angehört und sich offen über die Umbesetzungen im Generalstab mokierte. Auch bisher schon wird Franco zu den Strömungen im paraguayischen Parlament gezählt, die sich zwar nicht offen gegen Lugo stellen, zugleich aber alle relevanten Reformvorhaben blockierten. So konnte der Präsident bislang keine wirklichen Fortschritte bei der Realisierung einer in dem südamerikanischen Land dringend notwendigen Bodenreform erzielen. »Präsident Lugo kann im Parlament auf die Unterstützung der Cogoyal-Partei und der Bewegung zum Sozialismus zählen, alle anderen Kräfte gehören zur politischen Opposition, die keinerlei Wandel zulassen will«, sagte der Journalist Joel Cazal dem lateinamerikanischen Fernsehsender TeleSur.

Auch die Medien schießen offen gegen den Präsidenten. So fordert die 1967 durch den damaligen Diktator Alfredo Stroessner gegründete Tageszeitung ABC Color kaum verhüllt einen Putsch: »Während sie die öffentliche Aufmerksamkeit mit dem täglichen Tumult über ihre zahlreichen Probleme ablenkt, marschiert die Regierung festen Schrittes auf dem Weg ihrer geheimen Strategie, die verfassungsmäßige Ordnung der Republik zu untergraben, um sie durch ein autoritäres Regime marxistischer Prägung zu ersetzen, das von Hugo Chávez’ ›bolivarischem‹ Modell des Sozialismus des 21. Jahrhunderts inspiriert ist. Wenn zugelassen wird, daß Lugo und seine Anhänger die Streitkräfte zu ihrer Prätorianergarde umwandeln, wird es zu spät sein, um die Republik zu retten.«

Erschienen am 19. November 2009 in der Tageszeitung junge Welt und am 21. November 2009 in der Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek