Nobelpreisträger des Tages: Mario Vargas Llosa

Nach Herta Müller im vergangenen Jahr bekommt nun der Peruaner Mario Vargas Llosa den Literaturnobelpreis. Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki nannte die diesjährige Auswahl »sehr erfreulich«, die meisten Entscheidungen über den Preis seien in den letzten zehn Jahren ziemlich unseriös gewesen. Und tatsächlich: Mario Vargas Llosa kann schreiben und hat deshalb diese Auszeichnung sicherlich eher verdient als Barack Obama im vergangenen Jahr den Friedensnobelpreis. Denn während letzterer mehr für Krieg als für Frieden steht, hat es Vargas Llosa in 60 Jahren immerhin auf gut 30 Romane, Theaterstücke und Essays gebracht.

Allerdings ist der heute 74jährige, der einst die kubanische Revolu­tion unterstützt und marxistischen Positionen nahegestanden hatte, zumindest in den letzten Jahren weniger durch neue Werke als vielmehr durch eine immer offenere Parteinahme für die internationale Reaktion aufgefallen. Anfang Januar trat er in Chile bei Wahlkampfveranstaltungen für die in blutiger Tradi­tion stehende chilenische Rechte auf. Er bewundert José María Aznar, der Spanien an der Seite von Bush und Blair in den Irak-Krieg getrieben hatte, als »einen der größten Staatsmänner der Geschichte«. Wenige Tage vor der Parlamentswahl in Venezuela wetterte er am 19. September in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, es sei »schwierig, heutzutage in Venezuela freie Wahlen abzuhalten«. Chávez wolle Venezuela »ein System aufzwingen, das überall auf der Welt zusammengebrochen ist und nur noch auf Kuba und in Nordkorea existiert«. Womit zumindest bewiesen wäre, daß dieser Mann über ausreichend Phantasie verfügt, um eine »Kartographie von Machtstrukturen« und »Bilder des Widerstands, der Revolte und der Niederlage des einzelnen« zu verfassen, wie das Nobelpreiskomitee als Begründung für die Auszeichnung mitteilt.

Erschienen am 8. Oktober 2010 in der Tageszeitung junge Welt