¡No Pasarán!

Venezuelas Linke kann noch immer Hunderttausende Menschen auf die Straße bringen. Mit einer Großdemonstration auf der Avenida Bolívar im Zentrum der Hauptstadt Caracas (siehe Foto) und zahlreichen weiteren Kundgebungen in anderen Städten des südamerikanischen Landes beantworteten die Chavistas, wie die Anhänger des 2013 verstorbenen Präsidenten Hugo Chávez genannt werden, die Protestaktionen der rechten Opposition und die Einmischung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), der US-Administration und rechter Regime des Kontinents. Präsident Nicolás Maduro, der sich mit einer rund anderthalbstündigen Rede an seine versammelten Anhänger wandte, sprach von nicht weniger als drei Millionen Menschen, die »allein in Caracas« den Demonstrationsaufrufen der Regierungspartei PSUV und anderer Bewegungen gefolgt seien. Das war wohl übertrieben – ebenso wie die Behauptung von Oppositionsführer Henrique Capriles Radonski, man habe ebenfalls »Millionen« auf die Straße gebracht.

Die Rechtsallianz MUD (Tisch der demokratischen Einheit) hatte ihre Anhänger für Mittwoch zur »Mutter aller Demonstrationen« aufgerufen. Zehntausende Regierungsgegner versammelten sich daraufhin im Osten der Hauptstadt. Obwohl dort die Regierungsanhänger zusammengekommen waren, wollten sie in das Stadtzentrum ziehen. Einheiten von Polizei und Nationalgarde verhinderten mit Barrieren, Tränengas und Wasserwerfern ein Aufeinandertreffen der beiden Lager. Es kam zu Auseinandersetzungen zwischen den Beamten und vermummten Oppositionellen. Auf Videos ist zu sehen, wie die Militanten von Parlamentariern dirigiert werden. So forderte Freddy Guevara von der Rechtspartei Voluntad Popular (VP, Volkswille) die Maskierten auf, in die »zweite Reihe« der Demonstration zu kommen, »um die Abgeordneten zu verteidigen und die Granaten zurückzuwerfen«.

Da ihnen der Weg in das Stadtzentrum versperrt blieb, attackierten die Straßenkämpfer Behörden und Geschäfte. Auch in anderen Bundesstaaten Venezuelas kam es zu Ausschreitungen. So wurde in Zulia die Zweigstelle des Wohnungsbauministeriums geplündert und in Brand gesteckt, auf der Insel Margarita zündeten Regierungsgegner ein Amtsgebäude an. Medienberichten zufolge wurden bis zu 300 Personen festgenommen. In San Antonio de los Altos, einem Vorort von Caracas, wurde ein 28jähriger Angehöriger der Nationalgarde von Heckenschützen erschossen, als die Beamten eine Barrikade räumten.

Für zwei weitere Todesfälle machte die Opposition Sicherheitskräfte oder Regierungsanhänger verantwortlich. In Caracas wurde ein 17jähriger so schwer verletzt, dass er im Krankenhaus starb. Einem Bericht der unabhängigen Tageszeitung Últimas Noticias zufolge hatte er jedoch nichts mit der Oppositionskundgebung zu tun, sondern wurde offenbar Opfer eines Raubmordes. Der Täter hatte es wohl auf sein Motorrad abgesehen. In San Cristóbal nahe der Grenze zu Kolumbien starb eine junge Frau. Zunächst hieß es, sie sei aus einer Gruppe von Motorradfahrern heraus erschossen worden. Später wurde jedoch ein Anwohner festgenommen, der die Tat gestanden haben soll. Er habe auf die Biker geschossen, weil er sich von diesen bedroht gefühlt habe. Dabei sei die unbeteiligte Frau getroffen worden.

Erschienen am 21. April 2017 in der Tageszeitung junge Welt