Nie mehr auf den Knien – Venezuela feiert den zehnten Jahrestag der bolivarischen Revolution

Trotz strömenden Regens haben Tausende Menschen am Montag in Caracas an den zehnten Jahrestag der »Bolivarischen Revolution« erinnert. Genau zehn Jahre zuvor war Hugo Chávez als Präsident Venezuelas vereidigt worden und hatte damit einen tiefgreifenden Reformprozeß in Gang gesetzt, der bis heute anhält.

Zum Jubiläum überbrachte ein halbes Dutzend Staatschefs die Glückwünsche ihrer Länder. Boliviens Präsident Evo Morales skandierte den alten Kampfruf der kubanischen Revolution, »Patria o Muerte« (Heimatland oder Tod), und betonte, daß der in Kuba und Venezuela begonnene revolutionäre Prozeß auf ganz Lateinamerika übergegriffen habe. Ecuadors Staatschef Rafael Correa überbrachte eine »bolivarische Umarmung« und forderte das Volk Venezuelas auf, keinen Schritt zurückzuweichen: »Lateinamerika wird nie wieder vom Imperium in die Knie gezwungen werden!« Kubas Vizepräsident José Ramón Machado überbrachte die Glückwünsche von Fidel und Raúl Castro, und selbst der liberale Präsident von Honduras, Manuel Zelaya, ließ es sich nicht nehmen, den Tod des »Wall Street-Kapitalismus« zu konstatieren. Nicaraguas Staatschef Daniel Ortega griff auf die Zeilen der sandinistischen Hymne zurück und würdigte die Entwicklung Venezuelas als eine Revolution, »die sich nicht ergibt und nicht verkauft«. Der Premierminister des kleinen Dominica, Roosevelt Skerrit, überbrachte seinem »Bruder und Genossen« Hugo Chávez die Solidarität seines Volkes: »Chávez für immer – Yes! Sí!«

Chávez seinerseits würdigte die Bedeutung der Revolutionen in Kuba 1959 und Nicaragua 1979 für den Prozeß in Venezuela. Mit dem Ruf »Es lebe der Sozialismus!« betonte Chávez, er bevorzuge den Haß der Oligarchie gegen seine Person gegenüber dem Elend und der Unterdrückung des venezolanischen Volkes durch die repräsentative Demokratie, wie sie in Venezuela bis Ende 1998 geherrscht habe.

»Bis vor zehn Jahren lag Lateinamerika fast vollständig vor dem nord­amerikanischen Imperium auf den Knien. Heute hat sich die Situation radikal verändert. Lateinamerika ist nicht mehr der Hinterhof der USA, Lateinamerika wird befreit sein«, rief er aus.

Vor Beginn der Kundgebung waren die lateinamerikanischen Staatschefs und ihr venezolanischer Gastgeber in einem offenen Fahrzeug durch Caracas gefahren, bis sie am Gelände der Militärakademie und der dortigen Paradestrecke Los Próceres von den aus allen Teilen der Stadt herbeigeströmten Menschen begeistert begrüßt wurden. Unübersehbar waren dabei die roten Fahnen und Transparente der Mitglieder von »Mission Ribas«, denen es durch die Bolivarische Revolution ermöglicht wurde, ihren Schulabschluß nachzuholen.

Vor Beginn der Kundgebung waren die Präsidenten zu einem außerordentlichen Gipfeltreffen der »Bolivarischen Alternative für die Völker Unseres Amerika« (ALBA) zusammengekommen und hatten konkrete Maßnahmen beschlossen, um die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung in ihren Ländern zu sichern. Ein übernationaler Lebensmittelkonzern mit einem Startkapital von 49 Millionen Dollar soll seinen Sitz in Dominica haben, schlug Chávez vor. »Wir schaffen dieses großes, übernationale Unternehmen, wie es auch transnationale Konzerne gibt, aber in diesem Fall geht es darum, Lebensmittel zu produzieren und unserem Volk seine Lebensmittelsouveränität zu garantieren«, betonte der venezolanische Präsident. Die Gelder für das neue Unternehmen stammen aus einem im vergangenen Jahr im Rahmen der Alba-Gemeinschaft gegründeten Fonds.

Erschienen am 4. Februar 2009 in der Tageszeitung junge Welt