Nicht auf den Heiland warten

Rigoberta Menchú schließt nicht aus, in diesem Jahr noch einmal in das Rennen um die Präsidentschaft Guatemalas zu gehen. Ihr erster Versuch 2007 war mit nur wenig mehr als drei Prozent der Stimmen erfolglos geblieben. Es komme deshalb jetzt darauf an, ob die Bedingungen für eine erfolgreiche Kandidatur gegeben seien, sagte die Indígena-Aktivistin am Donnerstag in Havanna gegenüber junge Welt . Sie gehöre nicht zu den »perversen Politikern«, die sich um ein politisches Amt reißen, aber nicht über die Instrumente verfügen, um ihre Ziele umzusetzen. Deshalb gehe es ihrer Partei WINAQ darum, zunächst die formalen und organisatorischen Voraussetzungen für eine Kandidatur in den Gemeinden Guatemalas sicherzustellen. Erst wenn die Anforderungen, die das komplizierte Wahlrecht ihres Landes stelle, erfüllt seien, könne WINAQ entscheiden, ob und mit wem sie für das Präsidentenamt kandidiert. Dasselbe gelte auch für mögliche Bündnisse mit den anderen linken Parteien des zentralamerikanischen Landes. Zu solchen sei WINAQ zwar bereit, »aber die Faschisten würden sich doch kaputtlachen, wenn wir alles für eine gute Bündnisstrategie vorbereitet haben, dann aber unsere Parteien an den Formalia scheitern«, so die Indígena-Aktivistin, die auf der Buchmesse in der kubanischen Hauptstadt ihr gemeinsam mit Dante Liano verfaßtes neues Kinderbuch »El legado secreto« vorstellte.

Am 2. Mai wird das guatemaltekische Oberste Wahlgericht (TSE) die diesjährige Abstimmung offiziell ansetzen und das Datum festlegen. Ende des Jahres werden die Einwohner des Landes dann nicht nur das neue Staatsoberhaupt bestimmen, sondern auch die Abgeordneten des Kongresses und der Kommunalparlamente wählen. Nach der Ankündigung des TSE haben die Parteien einen Monat Zeit, ihre Kandidaturen anzumelden und die notwendigen Dokumente einzureichen. »Anfang Juni wißt ihr also, ob ich als Präsidentin kandidiere«, sagte Menchú deshalb. Eine Entscheidung darüber sei jedoch auch in ihrer eigenen Partei noch nicht gefallen, und sie sei auch bereit, weiter Generalsekretärin der WINAQ zu bleiben. Zugleich sei es »nach 200 Jahren Entwicklung« jedoch an der Zeit, daß auch die Frauen Guatemalas zeigen könnten, daß sie in der Lage sind, das Land zu regieren. Die Friedensnobelpreisträgerin von 1992 warnte aber, daß man nicht glauben dürfe, durch die Wahl irgendeines Menschen in ein politisches Amt komme »der Heiland, der alle Schwierigkeiten löst«. Das Problem seien die Institutionen. So sei die Wahl Barack Obamas, eines »schwarzen Bruders«, zum Präsidenten der USA bereits ein historisches Ereignis gewesen. Die Institutionen des Landes aber seien »kriegstreiberisch und faschistisch«. Sie hoffe jedoch, daß Obama seine Möglichkeiten nutze und zumindest die fünf in US-Gefängnissen inhaftierten Kubaner begnadige. Sehr optimistisch sei sie aber nicht, denn sie habe seinerzeit bereits den damaligen US-Präsidenten William Clinton gebeten, den seit Jahrzehnten unschuldig inhaftierten Leonard Peltier freizulassen, »aber das hat er nicht getan, obwohl er es gekonnt hätte«.

Auch wenn Rigoberta Menchú es vermied, sich politisch eindeutig festzulegen, machte sie keinen Hehl aus ihrer Unterstützung für die Politik des bolivianischen Präsidenten Evo Morales, »unseres lieben Bruders«, und des nicaraguanischen Staatschefs Daniel Ortega. Das sandinistische Nicaragua sei bereits in den 80er Jahren ein Beispiel der Solidarität gewesen, als in Guatemala das Militär einen schmutzigen Krieg gegen die Opposition führte, dem UN-Angaben zufolge mehr als 200000 Menschen zum Opfer fielen, darunter auch ihr eigener Vater. Sie habe sich damals geschworen, niemals mehr Ungerechtigkeit, Rassismus und Verbrechen schweigend hinzunehmen, sondern sich an die Seite der Opfer zu stellen. Dazu gehörten nicht nur die Menschen Guatemalas, so die Politikerin, sondern etwa auch die Menschen in der Westsahara, das unterdrückte Volk Palästinas und die Frauen Mexikos. Auch die Millionen Menschen, die in Kuba leben, begreife sie als ihre »Freunde und Kampfgefährten«.

Erschienen am 19. Februar 2011 in der Tageszeitung junge Welt und am 23. Februar 2011 in der Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek