Neuland des Tages: San Escobar

Polens Regierende sind für ihre Kreativität bekannt. Ganz besonders schöpferisch ist Außenminister Witold Waszczykowski. Im vergangenen Jahr verkündete er, Russland sei für Europa eine größere Bedrohung als die Dschihadistenmiliz »Islamischer Staat«. Und nun hat er per Betriebsunfall gleich einen ganzen Staat gegründet.

Polen bemüht sich gerade darum, als nichtständiges Mitglied in den UN-Sicherheitsrat gewählt zu werden. Dafür jettet Waszczykowski um die Welt. In New York berichtete er Reportern stolz von seinen Gesprächen in San Escobar.

Das hat er nun davon. Obwohl es auf der Welt offiziell 192 Staaten gibt – San Escobar gehörte bislang nicht dazu. Auch wenn sich Waszczykowskis Pressesprecherin beeilte, die Erfindung eines neuen Mitglieds der weltweiten Staatengemeinschaft auf einen Versprecher zurückzuführen – der Minister habe St. Kitts und Nevis gemeint, das auf Spanisch San Cristóbal y Nieves heißt –, lässt sich die spontan entstandene Demokratische Volksrepublik San Escobar nicht mehr von der Landkarte tilgen. Auf Facebook und Twitter kommuniziert der Staat schon mit der Welt, und einen Wikipedia-Eintrag hat er auch schon. Die Hilfsorganisation World Vision teilte am Donnerstag im Internet mit, man habe noch keine Projekte in San Escobar, »müssen erst unser Kartenmaterial aktualisieren«. Ein Maciej Kowalczyk stellte auf Twitter das Cover seines neuen Buchs vor: »Moderne Architektur in San Escobar – Gebäude und ihre Schöpfer« (bestimmt bald im jW-Shop erhältlich). Und Krzysztof Paczkowski bildete Geldscheine des neuen Landes ab, auf denen ein Comandante abgebildet ist, der dem Aussehen nach mit Kaczynski verwandt sein dürfte. Gezahlt wird in San Escobar demnach in »Pablos«. So hat es der 1993 in Medellín erschossene kolumbianische Drogenboss Pablo Escobar also doch noch in die Unsterblichkeit geschafft.

Unbestätigten Informationen zufolge bekommt Waszczykowski nun ein neues Amt – polnischer Botschafter in San Escobar.

Erschienen am 13. Januar 2017 in der Tageszeitung junge Welt