Neue Schlappe für Spanien

Die von den prospanischen Parteien erhoffte Überraschung ist bei der konstituierenden Sitzung des katalanischen Parlaments am Mittwoch ausgeblieben. Die für eine Unabhängigkeit des Landes vom Königreich eintretenden Parteien setzten Roger Torrent als neuen Parlamentspräsidenten durch. Der Politiker der Republikanischen Linken Kataloniens (ERC) erhielt 65 Stimmen. Damit stimmten offenbar alle Parlamentarier der ERC, der linksradikalen CUP und der liberalen Fraktion »Gemeinsam für Katalonien« (JxCat) für den 38jährigen. José Maria Espejo-Saavedra von den rechtsliberalen Ciutadans (Bürger) wurde von 56 Abgeordneten unterstützt – damit fehlte ihm eine Stimme aus den Reihen des prospanischen Lagers, zu dem neben seiner Partei die sozialdemokratischen PSC und die postfranquistischen Volkspartei (PP) gehören. Das Linksbündnis Catalunya en Comú enthielt sich in allen Wahlgängen der Stimme.

Es war keine normale Parlamentssitzung. Die Regierungsbank war leer, denn die bisherige Führung der autonomen Region war im Oktober von Madrid abgesetzt worden. Auf mehreren leeren Stühlen wiesen große gelbe Schleifen darauf hin, dass die gewählten Abgeordneten, die dort hätten Platz nehmen sollen, im Gefängnis sitzen oder sich im Exil befinden. Allerdings akzeptierte der Ältestenrat auf Antrag von ERC und JxCat, dass die drei inhaftierten Abgeordneten ihr Stimmrecht delegieren können. Im Unterschied zu Ciutadans und PP unterstützte die PSC diese Entscheidung. Die Frage, ob es eine solche Regelung auch für die Parlamentarier geben kann, die sich »freiwillig« im Exil befinden – unter ihnen der abgesetzte Ministerpräsident Carles Puigdemont –, wurde zunächst vertagt.

Völlig unklar ist bislang, wann und wie die neue Regionalregierung gewählt wird. Die Parteien der Unabhängigkeitsbewegung wollen erneut Puigdemont an die Spitze der Administration setzen. Diesem drohen in Spanien jedoch bis zu 30 Jahre Haft wegen »Rebellion«. Einer Verhaftung hat er sich durch seine Flucht nach Brüssel entzogen, von wo aus er die »legitime Regierung der Republik Katalonien« repräsentiert. Nach dem Willen der ihn unterstützenden Parteien soll er seine Kandidatur deshalb per Videoschaltung von Belgien aus anmelden können. Die prospanische Opposition und die Regierung in Madrid weisen das zurück. Ministerpräsident Mariano Rajoy drohte schon, Katalonien weiter unter Zwangsverwaltung zu halten.

Erschienen am 18. Januar 2018 in der Tageszeitung junge Welt