Nein zum Frieden

In Kolumbien ist der Friedensprozess zwischen der Regierung und der FARC-Guerilla in eine schwere Krise geraten. Beim Referendum über das Ende September in Cartagena unterzeichnete Abkommen, das den seit mehr als einem halben Jahrhundert andauernden Bürgerkrieg beenden sollte, stimmte eine knappe Mehrheit mit Nein. Wie die Wahlbehörde nach Auszählung fast aller Wahlscheine am Sonntag abend (Ortszeit) mitteilte, votierten 50,2 Prozent gegen den Vertrag, 49,8 Prozent sagten ja. Die Beteiligung lag nur bei 37,4 Prozent.

Nicht nur das knappe Ergebnis im nationalen Maßstab spiegelt die Polarisierung in Kolumbien wider. Auch die regionalen Unterschiede zeigen, wie gespalten das Land ist. Vor allem in den Gebieten, die besonders unter dem bewaffneten Konflikt zu leiden hatten, gab es eine große Mehrheit für den Frieden. In Nariño und Cauca an der Pazifikküste lag die Zustimmung bei jeweils rund zwei Dritteln der Stimmen. Auch im Norden, Osten und Süden stimmten oft mehr als 60 Prozent mit Ja. Dagegen votierten die teilnehmenden Wahlberechtigten der Provinzen im Zentrum des Landes – mit Ausnahme der Hauptstadt Bogotá sowie des Departamentos Boyaca – mehrheitlich gegen den Frieden.

In einer ersten Ansprache am Sonntag abend (Ortszeit) kündigte Staatschef Juan Manuel Santos an, sich weiter für ein Ende des Krieges einzusetzen. »Ich gebe nicht auf, ich werde mich bis zur letzten Minute meiner Amtszeit um Frieden bemühen, denn das ist der Weg, um unseren Kindern ein besseres Land zu hinterlassen«, erklärte er, umgeben von mehreren Kabinettsmitgliedern. Der mit den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens (FARC) vereinbarte Waffenstillstand bleibe in Kraft. Santos kündigte an, sich umgehend mit allen politischen Kräften beraten zu wollen und vor allem die Argumente derjenigen anzuhören, die gegen den Friedensvertrag agitiert haben. »Alle ohne Ausnahme wollen den Frieden«, behauptete der Staatschef. »Nun werden wir gemeinsam entscheiden, welches der Weg ist, den wir nehmen müssen, damit der Frieden möglich ist.«

In Havanna, wo die Verhandlungen seit 2012 geführt worden waren, zeigten sich die Sprecher der FARC enttäuscht über den Ausgang des Referendums. Weniger zurückhaltend als der Staatschef sagte der oberste Guerilla-Comandante Timoleón Jiménez, dass sich »destruktive Kräfte« durchgesetzt hätten, die »Hass und Zorn säen«. Bei ihrer nationalen Delegiertenkonferenz im September hatten die FARC ihre Umwandlung in eine gewaltfreie politische Bewegung beschlossen. Dieser Weg soll trotz des Ergebnisses offenbar fortgesetzt werden. »Dem kolumbianischen Volk, das vom Frieden träumt, sagen wir, dass es auf uns zählen kann«, erklärte der Comandante. »Der Frieden wird triumphieren.«

Die um den früheren Staatschef Álvaro Uribe gruppierten Gegner des Kriegsendes fraßen in einer ersten Erklärung Kreide. »Wir alle wollen Frieden, niemand will Gewalt«, so Uribe in Rionegro im Nordwesten des Landes.

Für den Kommentator der kommunistischen Wochenzeitung Voz, Nelson Lombana Silva, ist der Expräsident, dem Verbindungen zu den paramilitärischen Todesschwadronen nachgesagt werden, dagegen nur »das Böse«, das einen »Pyrrhussieg« errungen haben. Mitverantwortlich dafür sei Staatschef Santos, dessen parallel zum Friedensprozess betriebene Politik des Sozialabbaus Armut und Erwerbslosigkeit verschärft und der extremen Rechten in die Hände gespielt habe.

Erschienen am 4. Oktober 2016 in der Tageszeitung junge Welt