Nach der Wahl in Venezuela: Kriegsgefahr

Man kann Nicolás Maduro nicht vorwerfen, dass die Opposition in Venezuela zu blöd ist, ihn zu schlagen. Das Ergebnis der Präsidentschaftswahl am Sonntag in Venezuela zeigt, dass die Regierungsgegner die Abstimmung mit hoher Wahrscheinlichkeit gewonnen hätten, wenn sie angetreten wären. Maduro hat gegenüber der Wahl 2013 rund 1,5 Millionen Stimmen verloren. Überraschend ist das nicht, denn die Unzufriedenheit mit der Regierungspolitik reicht weit in das chavistische Lager hinein – kein Wunder angesichts anhaltender Wirtschaftskrise, Hyperinflation und Versorgungsengpässen.

Maduros wichtigster Gegenkandidat Henri Falcón konnte diese Unzufriedenen nicht in ausreichendem Maße für sich begeistern, weil ihm die größeren Oppositionsparteien und deren ausländische Freunde in den Rücken gefallen sind. Wenn er nun seine Niederlage nicht anerkennen will und von Manipulationen spricht, ist das vor allem der Versuch, sich mit dem rechten Flügel der Regierungsgegner, Washington und der EU auszusöhnen.

Tatsache ist jedoch, dass der Ablauf dieser Abstimmung in Venezuela ebenso transparent und fälschungssicher war wie zum Beispiel die Parlamentswahl 2015, die von der Opposition gewonnen wurde. Denn es ist schlicht nicht vorstellbar, wie Ergebnisse manipuliert werden sollten, da auch die Vertreter der Oppositionsparteien in jeder Phase Einblick in den Ablauf und sogar die einzelnen Wähler Kontrollmöglichkeiten hatten. Maduro selbst forderte so auch noch in der Wahlnacht die komplette Überprüfung aller Ergebnisse sowie der Vorwürfe seiner Gegenkandidaten und lud die internationalen Wahlbeobachter ein, dazu im Land zu bleiben.

Doch es geht seinen radikalen Gegnern im Inland, in den USA und in Europa nicht darum, ihn bei einer solchen Abstimmung zu besiegen. Sie wollen die chavistische Bewegung komplett zerstören, damit diese nicht nach einigen Jahren erneuert und erholt an die Regierung zurückkehren kann, wie es in Nicaragua den Sandinisten gelungen ist. Und sie wollen nachdrücklich klarmachen, dass es in Lateinamerika keinen weiteren Versuch geben darf, sich der Kontrolle durch den Imperialismus zu entziehen – selbst wenn er so dilettantisch unternommen wird wie derzeit in Venezuela.

Deshalb nimmt die Kriegsgefahr in Südamerika zu. Die offenen Drohungen aus Washington und Bogotá müssen ernstgenommen werden. Wie schnell kann es zum Beispiel an der Grenze zwischen Venezuela und Kolumbien zu einem – beabsichtigten oder versehentlichen – Zwischenfall kommen, der dann zu einer militärischen Eskalation führt. Auch ein Putsch könnte in Venezuela zu einem Bürgerkrieg mit ungewissem Ausgang führen, der die Nachbarländer in Mitleidenschaft zieht. Die USA und die EU heizen die Lage mit ihren Sanktionen und der Finanzblockade gegen das südamerikanische Land weiter an.

Erschienen am 22. Mai 2018 in der Tageszeitung junge Welt