Munition für Netanjahu

Israel verletze durch die Angriffe auf dicht besiedelte Gebiete im Gazastreifen internationales Recht und mißachte den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den Schutz von Zivilisten, kritisierte die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Genf. Auch die palästinensische Hamas verstoße gegen die Regeln des Völkerrechts, wenn sie Waffen in Schulen, Krankenhäusern oder Moscheen lagere, fügte sie hinzu. Insbesondere aber die israelischen Angriffe auf Schulen der Vereinten Nationen in den besetzten Gebieten könnten Kriegsverbrechen sein, die strafrechtlich zu ahnden seien, unterstrich sie.

 

Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums wurden in Gaza seit dem Beginn der israelischen Invasion am 8. Juli mehr als 1360 Menschen getötet, unter ihnen 315 Kinder. Trotzdem will Ministerpräsident Benjamin Netanjahu den Krieg fortsetzen. Weitere 16000 Soldaten wurden einberufen, um »die Arbeit zu Ende zu bringen«, wie der Regierungschef erklärte. Sorgen um Nachschub braucht er sich dabei nicht zu machen. Obwohl US-Verteidigungsminister Charles (»Chuck«) Hagel am Mittwoch (Ortszeit) in wohlfeilen Worten erklärt hatte, Washington sei über die humanitäre Lage in Gaza »besorgt«, bekräftigte er Angaben des Pentagon zufolge in einem Gespräch mit Tel Avivs Verteidigungsminister Moshe Yaalon die Unterstützung der USA »für Israels Sicherheit und sein Recht, sich selbst zu verteidigen«. Deshalb verhindert Washington, daß der israelischen Armee womöglich die Munition ausgeht. Nachschub sei am 20. Juli von Tel Aviv beantragt und drei Tage später genehmigt worden, berichtete die britische Tageszeitung The Guardian unter Berufung auf den Pressesprecher des Pentagon, Konteradmiral John Kirby. Es sei »vital für die nationalen Interessen der USA«, Israel bei der Entwicklung und Aufrechterhaltung seiner starken Selbstverteidigungsmöglichkeiten zu unterstützen, so der Militär.

In den USA selbst stößt diese Haltung auf wachsenden Widerstand. »Während die US-Regierung dem brutalen israelischen Regime in beschämender Weise uneingeschränkte Unterstützung leistet, macht das Volk der Vereinigten Staaten klar, daß die öffentliche Meinung einen scharfen Schwenk gegen diese langjährige Politik vollzieht«, heißt es in einem Aufruf der Antikriegsbewegung ANSWER zu einer Großdemonstration am Samstag vor dem Weißen Haus in Washington. Aus allen Teilen des Landes sollen Busse in die Hauptstadt fahren, kündigen die Organisatoren an. Unterstützt wird die Kundgebung unter anderem von »Veterans For Peace«, einer Antikriegsorganisation ehemaliger Militärangehöriger, sowie von muslimischen und linken Vereinigungen.

Auch in Israel wird weiter gegen den Krieg protestiert. Für den heutigen Freitag rufen die Kommunistische Partei des Landes und andere Organisationen zu einer Solidaritätskundgebung für junge Israelis auf, die sich der Einberufung in die Armee widersetzen und deshalb im Gefängnis sitzen. So mußte am Montag der 19jährige Udi Segal seine Haft antreten. Zum Gefängnis begleitet wurde er von rund 100 Menschen – Juden und Arabern –, unter ihnen die Eltern des bereits seit April aus dem gleichen Grund inhaftierten Uriel Ferrera. Auch zwei Militärärzte, die sich mit Beginn der Offensive gegen Gaza von der Armee abgesetzt haben sollen, droht eine Strafe wegen »unangemessenen Verhaltens« und »Kampfvermeidung«.

Erschienen am 1. August 2014 in der Tageszeitung junge Welt