Motor zum Glück

Die diplomatische Krise zwischen Den Haag und Caracas ist schneller zu Ende gegangen, als zu befürchten war – und Venezuelas Präsident Nicolás Maduro war plötzlich voll des Lobes für die Regierung der Niederlande. Diese hatte am Sonntag den drei Tage zuvor auf Aruba, einer 25 Kilometer vor der Nordküste gelegenen Insel im Besitz der Niederlande, den designierten Generalkonsul Venezuelas, Hugo Carvajal, festnehmen lassen (jW berichtete). Am Sonntag räumte die Haager Regierung dann in einem offiziellen Statement ein, daß die Verhaftung eine Verletzung der Wiener Konvention über diplomatische Beziehungen gewesen sei und ordnete die sofortige Freilassung Carvajals an. Am Sonntag abend (Ortszeit) traf der General in Caracas ein.

 

Maduro lobte anschließend, die niederländische Regierung habe eine »mutige Entscheidung« getroffen, als sie in einer offiziellen Note einräumte, internationale Verträge gebrochen zu haben. Den Haag habe sich durch die Freilassung gegen die »Mafia von Miami« und gegen den ultrarechten früheren kolumbianischen Präsidenten Álvaro Uribe gestellt. Diese stünden hinter den gegen Carvajal erhobenen Anschuldigungen, die FARC-Guerilla in Kolumbien unterstützt zu haben. Offenbar hatten die USA die Auslieferung Carvajals gefordert, der von 2004 bis 2009 an der Spitze des Militärgeheimdienstes DIM stand.

Nach seiner Rückkehr wurde Carvajal im Teresa-Carreño-Theater in Caracas von den Delegierten des dort noch bis Donnerstag stattfindenden Kongresses der Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV) begeistert empfangen. Die mehr als 500 Abgesandten der offiziell nach Millionen zählenden Mitgliedschaft der Regierungspartei waren zu ihrem ersten Parteitag nach dem Tod von Hugo Chávez zusammengekommen. Dessen Nachfolge an der Spitze der Regierungspartei hat erwartungsgemäß Maduro übernommen. Bereits zum Auftakt des Kongresses wurde er von den Delegierten einstimmig zum neuen Vorsitzenden gewählt.

In seiner Ansprache vor dem Parteitag wies Maduro Vorwürfe aus Teilen der Mitgliedschaft zurück, daß es auf dem Kongreß keinen Platz für Kritik und Diskussionen gebe. »Diese Revolution wurde dank Chávez damit geboren, die Kritik, die Meinungsäußerungen des Volkes, zu befördern. Dies ist die Partei der Kritik und der Wahrheit.« Deshalb sei auch die Linie des Kongresses »eine freie und konstruktive Diskussion, kreatives Handeln und größtmögliche Loyalität zur Bolivarischen Revolution«. Ohne konkreter zu werden, räumte Maduro ein, daß in der Partei »nicht alles perfekt« sei und sie nicht so funktioniere, wie sie müsse. Zugleich zeigte er sich überzeugt, daß die PSUV über genügend Kräfte verfüge, um diese Probleme zu lösen.

Ideologisch forderte Maduro von seiner Partei eine klare Konzeption des Sozialismus als »Weg zum größtmöglichen Glück«, womit er eine Formulierung des Nationalhelden Simón Bolívar aufgriff. Ohne Sozialismus könnten weder die Souveränität noch die Unabhängigkeit des Landes Bestand haben. Dabei distanzierte er sich von einem »dahinsiechenden Linksradikalismus« ebenso wie von einem »kapitulierenden Reformismus«. Die Zukunft des bolivarischen Prozesses hänge davon ab, auf dem Weg des Übergangs zum Sozialismus eine produktive Ökonomie zu schaffen und dadurch die Abhängigkeit von den Erdöleinnahmen zu überwinden. Die entscheidende Rolle dabei spiele die Arbeiterklasse als Motor der Revolution, so der Parteichef.

In diesem Zusammenhang schlug Maduro vor, im Dezember eine »Außerordentliche Nationalkonferenz« der PSUV durchzuführen, um »das sozio-ökonomische Projekt der Bolivarischen Revolution« zu diskutieren. Dazu sollten Fachleute aus dem In- und Ausland eingeladen werden, um als einziges Thema über die Ökonomie im Übergang zum Sozialismus zu sprechen.

Am Wochenende meldete die Tageszeitung Últimas Noticias, daß General José Aquiles Vietri Vietri vom Militärgeheimdienst DIM festgenommen wurde. Im April 2002, als der damalige Präsident Hugo Chávez durch einen Putsch kurzzeitig entmachtet worden war, war Vietri Chef von dessen Ehrengarde, die damals eine wichtige Rolle bei der Rückeroberung des Regierungspalastes Miraflores spielte. Nun jedoch soll der General, der 2006 aus dem aktiven Dienst ausschied, in Putschpläne gegen Maduro verwickelt sein. Dem Bericht des unabhängigen Blattes zufolge, sollen in seinem Haus bei einer Razzia Unterlagen gefunden worden sein, in denen eine Absetzung Maduros und die Bildung einer Regierungsjunta geplant wurden. Ob weitere Militärs an der Verschwörung beteiligt waren, wurde zunächst nicht bekannt. Bereits im März hatte Maduro über die Verhaftung von drei Luftwaffengenerälen informiert, die ebenfalls einen Staatsstreich vorbereitet haben sollen.

Erschienen am 29. Juli 2014 in der Tageszeitung junge Welt