Mit Maduro arrangieren

Der mögliche Wandel in den Beziehungen zwischen den USA und Venezuela lädt zum Spekulieren ein. Die Tatsache, dass sich die Außenminister der beiden Länder getroffen haben, ist für sich allein nicht weiter bedeutend, denn diskrete Unterredungen gab es in den vergangenen Wochen und Monaten mehrfach. Neu ist aber, dass John Kerry offenbar in Kauf genommen hat, die venezolanische Opposition zu brüskieren. Seine demonstrative Unterstützung für die internationalen Vermittlungsbemühungen vor allem des früheren spanischen Regierungschefs José Zapatero sind ein Schlag für die Rechten, denn diese hatten den Sozialdemokraten auflaufen lassen, indem sie Vorbedingungen für Verhandlungen mit der Regierung aufstellten.

Kerry erteilte auch einer von der Opposition geforderten Suspendierung der OAS-Mitgliedschaft Venezuelas eine Absage – gut eine Woche vor der Sondertagung der Organisation Amerikanischer Staaten, bei der auf Antrag von Generalsekretär Luis Almagro genau über diesen Punkt abgestimmt werden soll. Die klaren Worte von Barack Obamas Chefdiplomaten sind vermutlich eine vorauseilende Reaktion darauf, dass die für den Ausschluss Venezuelas notwendige Zweidrittelmehrheit der Mitgliedsstaaten wohl nicht erreicht werden dürfte.

In gewisser Weise erinnert die aktuelle Lage Venezuelas an die Situation Anfang 2003. Auch damals versuchte die von Washington unterstützte Opposition, die Regierung durch Wirtschaftssabotage ökonomisch zu erdrosseln. Im Februar 2003 wurde der »Generalstreik« plötzlich abgebrochen. Vieles deutet darauf hin, dass dies auf Druck der US-Administration geschah, die damals den Rücken frei haben wollte für die wenige Wochen später beginnende Invasion im Irak.

Nach Kanada und Saudi-Arabien ist Venezuela auch heute noch der drittgrößte Erdöllieferant der USA. Mit einer Destabilisierung Venezuelas bei gleichzeitiger Instabilität der Lage im Nahen und Mittleren Osten gefährdet Washington somit potentiell seine eigene Energiesicherheit. Zugleich zeichnet sich trotz der internationalen Medienhysterie kein schneller Sturz Maduros in Venezuela ab. Die Regierung spielt auf Zeit, in den Streitkräften deutet nichts auf einen bevorstehenden Militärputsch hin, und die radikalen Teile der Opposition sorgen durch ihre Gewaltaktionen dafür, dass sich auch mit der Regierung Unzufriedene gegen sie stellen.

Manches deutet darauf hin, dass die USA ihre bisherigen Schützlinge in Venezuela gegen Öl verkaufen. Wenn es keinen schnellen Sturz Maduros gibt, droht dem Land ein Bürgerkrieg. Der aber ist nicht im Interesse Washingtons, zumal ein solcher wieder auf Kolumbien übergreifen könnte. Da wartet man lieber auf einen Machtwechsel durch Wahlen und arrangiert sich bis dahin. Der Preis dafür ist, dass Maduro weiter auf eine Vertiefung der von Hugo Chávez eingeleiteten »Revolution« verzichten muss. Von einer solchen Radikalisierung ist derzeit allerdings ohnehin nichts zu spüren.

Erschienen am 16. Juni 2016 in der Tageszeitung junge Welt