Militär gegen Spekulanten

Die Stimmung in Venezuela ist aufgeheizt. Während die rechte Opposition Panik verbreitet und sich bemüht, ihre Anhänger im Ausland zu Aktionen zu mobilisieren – so soll es in der kommenden Woche in Berlin eine Kundgebung vor dem Auswärtigen Amt geben –, warnt die Regierung vor Versuchen des Imperialismus, sie zu stürzen. Im staatlichen Fernsehen läuft am Wochenende eine mehrteilige Dokumentation über den Putsch in Chile 1973. Die seit Tagen mehrfach pro Stunde ausgestrahlten Ankündigungsspots für diese Serie vergleichen die Lage in Chile vor dem Staatsstreich mit der gegenwärtigen Situation in Venezuela.

Die Ausschnitte aus Reden des am 11. September 1973 gestürzten und ermordeten chilenischen Präsidenten Salvador Allende erinnern nicht zufällig an aktuelle Ansprachen des venezolanischen Staatschefs Nicolás Maduro. Kurz darauf wird auf dem gleichen Fernsehkanal dafür geworben, in den Geschäften nur zu kaufen, was man wirklich brauche und sich nicht nervös machen zu lassen: »Mach du es vor, dann werden es die anderen dir nachmachen«. Hintergrund ist, dass immer wieder einzelne Produkte zeitweilig nicht zu bekommen sind. Wenn diese dann wieder in den Regalen der Supermärkte stehen, provoziert das viele Venezolaner zu Hamsterkäufen. Die staatliche Nachrichtenagentur AVN kommentierte am Donnerstag: »Venezuela sieht sich seit 2013 einem von Teilen der nationalen und internationalen Rechten entfesselten Wirtschaftskrieg gegenüber, der Mechanismen der Unterversorgung, Spekulation und des Schmuggels nutzt, um in der venezolanischen Gesellschaft Chaos zu schaffen und so die verfassungsmäßige Regierung zu stürzen.« Wegen solcher Vorwürfe wurden am Donnerstag die obersten beiden Manager der Apothekenkette »Farmatodo«, Pedro Luis Angarita und Agustín Antonio Álvarez, offiziell angeklagt. Der Exekutivpräsident und sein Stellvertreter waren am 31. Januar festgenommen worden, als die Sicherheitskräfte die Filialen und Büros des Unternehmens besetzten und vorläufig staatlicher Kontrolle unterstellten.

Die Inhaber der Einzelhandelsketten des Landes weisen die gegen sie erhobenen Vorwürfe zurück und machen für die Knappheit die staatliche Devisenkontrolle verantwortlich, durch die ihnen die Mittel für den Import der benötigten Güter fehlten. In regierungsnahen Medien wird gegen solche Argumente angeführt, dass zwar bestimmte Produkte nicht im Sortiment seien, aus denselben Rohstoffen hergestellte Waren jedoch häufig angeboten würden. Während etwa das in der venezolanischen Küche unentbehrliche Maismehl oft nicht erhältlich sei, gebe es das in dem südamerikanischen Land mit Mais gebraute Bier in Hülle und Fülle. Immer wieder zeigt das venezolanische Staatsfernsehen spektakuläre Aufnahmen von Polizeiaktionen, bei denen in Lagerhäusern gehortete Lebensmittel beschlagnahmt und an die Bevölkerung verteilt werden. Präsident Nicolás Maduro beschuldigt »die Kapitalisten«, die Preise nach oben zu treiben und die Lage im Land destabilisieren zu wollen. Gegen diesen »Wirtschaftskrieg« soll nun militärisch vorgegangen werden.

Seit Ende Januar werden in den Bundesstaaten Venezuelas »Zivil-Militärische Generalstäbe für die Schlacht gegen den Wirtschaftskrieg« gebildet, in denen Uniformierte aus Nationalgarde, Armee und Polizei sowie Vertreter der Basisorganisationen das Vorgehen gegen Spekulanten und Saboteure koordinieren sollen. Am Donnerstag (Ortszeit) hob Maduro aus Anlass der Gründung des Regionalkommandos in Lara die Bedeutung dieser Einrichtungen hervor. Sie seien »der Schlüssel zum Sieg« in dieser ökonomischen Auseinandersetzung. »Die Schlacht gegen den Wirtschaftskrieg, für den Aufbau einer Ökonomie im Dienst des Volkes wird fundamental sein für den Aufbau des Sozialismus in unserem Land«, betonte er in einer Nachricht über den Internetdienst Twitter. Zuvor waren regionale Abteilungen bereits im Bundesstaat Miranda und in der Hauptstadt Caracas gegründet worden. In der Metropole hat der Regierungschef des Distrikts, Ernesto Villegas, die zivile Führung übernommen, während der General der Nationalgarde Fabio Zabarce die militärische Befehlsgewalt ausübt.

Erschienen am 7. Februar 2015 in der Tageszeitung junge Welt