Mexiko in Flammen

Blockierte Straßen, besetzte Tankstellen, brennende Zapfsäulen – in Mexiko hat eine zum 1. Januar erfolgte drastische Erhöhung der Benzinpreise zu einer unerwarteten Protestwelle geführt, die inzwischen 28 der 32 Bundesstaaten erfasst hat. Supermärkte wurden geplündert, im zentralmexikanischen Aguascalientes stürmten Demonstranten das dortige Regierungsgebäude. Inzwischen wird nicht mehr ausgeschlossen, dass die Empörung Staatschef Enrique Peña Nieto das Amt kosten könnte. Wie die Tageszeitung La Jornada am Mittwoch meldete, blockierten Demonstranten elf Lagerstätten und Transportterminals des Erdölkonzerns Pemex. Das Management des Unternehmens warnte bereits, dass die anhaltenden Unruhen zu Versorgungsengpässen im ganzen Land führen könnten.

Am 1. Januar waren in Mexiko die Preise für Benzin um 20 Prozent und die für Diesel um 16,5 Prozent erhöht worden. Zugleich griffen Teuerungen auch in vielen anderen Lebensbereichen. So kletterten die Preise für die Stromversorgung bereits um 2,6 Prozent. Zudem wird damit gerechnet, dass als Folge der gestiegenen Transportkosten auch die Preise für Grundnahrungsmittel und andere Waren des täglichen Bedarfs klettern werden. Ursache dafür ist die von der Regierung seit 2014 betriebene Privatisierung der Erdölförderung und die Zulassung ausländischer Konzerne. Peña Nieto versprach noch am Neujahrstag, dass die Preise langfristig wieder fallen würden, wenn die »Reform« greife. Das Nachrichtenmagazin Proceso kommentierte das am 2. Januar sarkastisch als »Ohrfeige für ein Volk, das alles vergibt«. Man müsse anerkennen, dass eine Fähigkeit von Staatschef Peña Nieto – »die einzige erkennbare« – sei, »die Mexikaner für dumm zu verkaufen«. Man müsse die Landsleute für ihre Engelsgeduld loben: »Sie stecken ein Schlag nach dem anderen ein, jammern kurz und warten auf den nächsten.«

Diesmal könnte es anders sein. »Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat«, zitierte die spanische Tageszeitung El País eine 58jährige Hausfrau, die sich zum ersten Mal an Protestaktionen beteiligt habe. Die Partei der Demokratischen Revolution (PRD) hat im Parlament bereits vor Monaten beantragt, den Staatschef wegen »Landesverrats« anzuklagen und seines Amtes zu entheben. Diesen Prozess, den sie bislang mit dem Empfang des damals noch nicht gewählten künftigen US-Präsidenten Donald Trump durch Peña Nieto Ende August begründet hatte, will sie nun intensivieren. Zur Unterstützung will die gemäßigt linke Oppositionspartei in Mexiko und bei im Ausland lebenden Landsleuten zehn Millionen Unterschriften sammeln.

Die Kommunistische Partei Mexikos (PCM) rief am Mittwoch dazu auf, sich nicht mehr mit symbolischem Protest zu begnügen: »Schluss damit, dass wir unsere Unzufriedenheit nur in den sozialen Netzwerken äußern. Es ist an der Zeit, unsere Wut in Organisation zu verwandeln!« PCM-Generalsekretär Pável Blanco ging gegenüber junge Welt von einer weiteren Radikalisierung des Widerstands in den kommenden Tagen aus, »wenn auf die Benzinpreiserhöhung die Steigerung der Kosten für Lebensmittel, Medikamente und den Nahverkehr folgt«. Die Blockaden und Besetzungen seien ein Ausbruch der Wut über Maßnahmen des mexikanischen Staates, die als Antwort auf die Wirtschaftskrise die Arbeit der Menschen entwerteten. »Die PCM beteiligt sich an diesen Arbeiter- und Volksaktionen«, so Blanco.

Erschienen am 5. Januar 2017 in der Tageszeitung junge Welt und in der Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek