»Menschen statt Märkte«

Ecuador bleibt links. Bei der Präsidentschaftswahl am Sonntag konnte sich Amtsinhaber Rafael Correa mit überwältigender Mehrheit gegen sieben Mitbewerber durchsetzen. Den ersten offiziellen Hochrechnungen des Nationalen Wahlrates (CNE) zufolge entfielen auf den Kandidaten der Linksbewegung Alianza PAIS 56,7 Prozent der Stimmen, ein Vorsprung von mehr als 30 Punkten vor dem Zweitplazierten, dem neoliberalen Banker Guillermo Lasso. Alle übrigen Kandidaten erreichten zusammen nur 20 Prozent der Stimmen. Auch bei den parallel durchgeführten Wahlen zur Nationalversammlung zeichnete sich eine absolute Mehrheit für Correas Partei ab.

 

Schon unmittelbar nach Schließung der Abstimmungslokale, als die Nachwahlbefragungen ein Ergebnis von bis zu 61 Prozent für Correa ergeben hatten, stellte sich der Staatschef bei einer Pressekonferenz den Fragen der Journalisten. Das Resultat zeige, daß die unter seiner Führung in Ecuador begonnene »Bürgerrevolution« (Revolución Ciudadana) von niemandem aufgehalten werden könne. Es müsse jetzt darauf ankommen, den Veränderungsprozeß weiter zu vertiefen, damit »mächtige Gruppen das Volk nicht unterwerfen« können. Sein Erfolg sei ein Sieg des ecuadorianischen Volkes, das er niemals betrügen werde. »Wir bauen das kleine Heimatland Ecuador und das große Heimatland Unser Amerika auf«, sagte er mit Blick auf die wachsende Einheit des Kontinents. »Wir festigen die Demokratie nicht nur in Ecuador, sondern in unserem gesamten Amerika. Wir müssen die revolutionären Prozesse, die in Argentinien, Bolivien, Venezuela, Uruguay, Brasilien und in allen Völkern Amerikas ablaufen, konsolidieren.« Nur durch die Einheit Lateinamerikas sei es möglich, dem internationalen Kapital zu widerstehen: »Unsere Völker und nicht das Kapital müssen entscheiden, die menschlichen Gesellschaften und nicht die Märkte!«

Besonders deutlich fiel die Unterstützung für Correa unter den in Spanien lebenden ecuadorianischen Migranten aus. Nicht weniger als 80 Prozent stimmten hier den vorläufigen Ergebnissen zufolge für den Amtsinhaber – bei einer Wahlbeteiligung, die sich mit rund 50 Prozent gegenüber der letzten Abstimmung praktisch verdoppelt hat. Hintergrund dieses großen Erfolgs ist offensichtlich der Einsatz der ecuadorianischen Regierung für die von der Wirtschaftskrise in der ehemaligen Kolonialmacht betroffenen Mitbürger. So hatte Quito im Januar beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strasbourg Klage gegen die Zwangsräumungen von Wohnungen in Spanien eingereicht. Hunderttausende Menschen haben in dem südeuropäischen Land seit 2008 ihre Unterkunft verloren, weil sie die Zinsen für die bis dahin zur Wohnraumfinanzierung üblichen Bankkredite nicht mehr bezahlen konnten. Dadurch werden sie nicht nur obdachlos, sondern stehen auch finanziell am Abgrund, denn durch den Verlust der Wohnung ist der Bankkredit nicht getilgt. Zu den Betroffenen gehören nach Angaben der Nachrichtenagentur ANDES auch bis zu 15000 Ecuadorianer. Um deren Lage zu erleichtern, hat Quito inzwischen auch ein Rückkehrerprogramm für die eigenen Bürger in Gang gesetzt. »Es hat noch keine Regierung gegeben, die mehr für die Migranten getan hat, als unsere«, sagte Correa dazu am Sonntag. »Als Wirtschaftswissenschaftler schämte ich mich dafür, mich in einem Land Ökonom zu nennen, dessen einzige Exportware Menschen waren«, erinnerte er an die Situation bis vor wenigen Jahren. »Diese Situation hat sich geändert, heute kehren jedes Jahr Tausende Migranten zurück, denn sie sehen, daß sich unser Land verändert hat.«

Der für das »Plurinationale Linke Bündnis«, einem Zusammenschluß der maoistisch orientierten Demokratischen Volksbewegung (MPD) und der Indígena-Partei Pachakutik, angetretene Alberto Acosta erkannte das Ergebnis »als Demokrat« an. In einer Stellungnahme über den Internetdienst Twitter schrieb der mit 3,2 Prozent weit hinter den eigenen Erwartungen zurückgebliebene frühere Präsident der verfassunggebenden Versammlung Ecuadors und einstige Mitstreiter Correas, die Wähler hätten sich mehrheitlich für das unter seiner Leitung ausgearbeitete Grundgesetz ausgesprochen: »Wir fordern, daß das Ergebnis bedeutet, die strukturellen Veränderungen, die das ecuadorianische Volk erwartet, Realität werden zu lassen.«

Erschienen am 19. Februar 2013 in der Tageszeitung junge Welt