junge Welt vom 28. September 2010

Mehrheit für Sozialismus

junge Welt vom 28. September 2010Die von Venezuelas Präsident Hugo Chávez gegründete Vereinte Sozialistische Partei (PSUV) bleibt die stärkste Kraft in dem südamerikanischen Land. Bei den Parlamentswahlen am Sonntag holte sie im Bündnis mit der Kommunistischen Partei (PCV) und kleineren Organisationen vorläufigen offiziellen Angaben des Nationalen Wahlrats (CNE) zufolge mindestens 95 der 165 Sitze in der Nationalversammlung. Die Opposition, die vor fünf Jahren die Abstimmung boykottiert hatte, erreichte demnach 65 Sitze. Zwei Mandate ergatterte die Partei Heimatland für alle (PPT), die zu Jahresbeginn aus der Regierungskoalition ausgeschert war und sich im Wahlkampf als »dritte Kraft« präsentierte. Damit verfehlten die Linken ihr proklamiertes Ziel deutlich, eine Zweidrittelmehrheit von 110 Abgeordneten im Parlament zu erreichen. Diese Mehrheit wäre nötig gewesen, um wichtige Gesetze zu verabschieden oder zu ändern. Außerdem ermöglicht eine solche Mehrheit die Kontrolle über die nationale Wahlbehörde und den Obersten Gerichtshof, deren Mitglieder mit einer solchen Mehrheit gewählt werden.

Der Wahltag hatte für viele Venezolaner schon sehr früh begonnen. In Caracas wurden sie von Unterstützern der Regierungskoalition mit Fanfaren, lauter Musik und Feuerwerk geweckt. Bereits in den Morgenstunden bildeten sich lange Schlangen an den Wahllokalen, die Stimmung war ruhig, aber angespannt. Wie jW feststellen konnte, arbeiteten die Beobachter einträchtig zusammen. Sie erklärten auf Nachfrage, daß es keine größeren Probleme und insbesondere keine Beeinflussung von außen gegeben habe. Auch landesweit wurden außer ein paar defekten Wahlcomputern, die meist schnell repariert werden konnten, keine größeren Unregelmäßigkeiten gemeldet. Nach Bekanntgabe der ersten vorläufigen offiziellen Ergebnisse gegen zwei Uhr in der Nacht zum Montag (Ortszeit) versammelten sich am Präsidentenpalast Miraflores in Caracas zahlreiche Anhänger des linken Bündnisses, um gemeinsam ihren Erfolg zu feiern.

Präsident Chávez nannte das Ergebnis in einer ersten Reaktion eine »solide Mehrheit«, die es ermöglichen werde, den »bolivarischen und demokratischen Sozialismus« weiter zu festigen. María Corina Machado vom Oppositionsbündnis »Tisch der demokratischen Einheit« (MUD) behauptete hingegen, Chávez habe die Parlamentswahl zu einem Referendum über seine Person gemacht »und verloren«. Die Kommunistische Partei ihrerseits bewertete den Erfolg der Allianz mit der PSUV als einen Sieg der Demokratie, was vor allem an der großen Wahlbeteiligung abzulesen sei. Mit knapp 66,5 Prozent der in den Wahllisten registrieren Venezolaner stimmte tatsächlich eine so große Zahl der Berechtigten ab, wie sie sonst nur bei Präsidentschaftswahlen erreicht wird.

Der Wahlkampfchef der PSUV, Aristóbulo Istúriz, erinnerte daran, daß die Opposition über mehr als 80 Abgeordnete verfügt habe, bevor sie durch »einen politischen Fehler« – den Boykott bei der letzten Wahl – aus der Nationalversammlung verschwunden war. Nun läge sie deutlich darunter, »ich verstehe nicht, warum sie das einen Erfolg nennen können«.

Mit Helge Buttkereit. Erschienen am 28. September 2010 in der Tageszeitung junge Welt