London spitzt zu

Die britische Regierung will in den nächsten Monaten die HMS »Dauntless«, einen modernen Zerstörer, zur Inselgruppe der Malwinen (Falkland Islands) schicken. Das Verteidigungsministerium teilte am Dienstag mit, daß die Entsendung des Kriegsschiffes bereits seit langem geplant sei. Am Montag hatten verschiedene Medien berichtet, daß Großbritannien im Mai mit dem Bau eines neuen militärischen Flughafens auf der mitten im Atlantik liegenden Insel St. Helena beginnen will. Der neue Flughafen dort soll vor allem als Truppenstützpunkt dienen, falls sich der Streit mit Argentinien um die Malwinen weiter zuspitzen sollte.

Kaum eine Frage schweißt die Menschen in Argentinien so zusammen, wie der Anspruch auf die Inselgruppe im Südatlantik, die seit dem 19. Jahrhundert unter britischer Kontrolle steht. Praktisch alle politischen Kräfte des südamerikanischen Landes beanspruchen die Souveränität über die Eilande, die von gerade einmal rund 3000 meist von englischen und schottischen Einwanderern abstammenden »Kelpers«, 1700 britischen Soldaten und Tausenden Schafen bewohnt werden.

Buenos Aires beruft sich darauf, daß die Inseln seit 1766 spanische Kolonie waren und deshalb mit der Unabhängigkeit Argentiniens 1816 Teil des eigenen Staatsgebietes geworden seien. Tatsächlich hatte die junge Republik ab etwa 1820 begonnen, die Malwinen zu besiedeln, doch 1829 eskalierte ein Streit zwischen der Inselverwaltung und den USA um Fischfangrechte. Washington schickte seine Kriegsmarine, bombardierte 1832 die damalige Hauptstadt Puerto Soledad und erklärte die Inseln schließlich zum »Niemandsland«. Jede argentinische Ansiedlung hier werde als »Piratennest« betrachtet und attackiert, warnte der US-Botschafter in Buenos Aires. Das galt jedoch nicht für die Briten, die kurz darauf die Kontrolle über die Inseln übernahmen.

2012 begehen die Argentinier den 30. Jahrestag ihres letzten gewaltsamen Versuchs, die Inseln der britischen Herrschaft zu entreißen. Am 2. April 1982 schickte die damalige Militärjunta Marineinfanteristen und Fallschirmjäger nach Ostfalkland, die nach kurzem Gefecht mit den britischen Besatzungssoldaten die Hauptstadt Port Stanley (Puerto Argentino) einnahmen. In Buenos Aires stürmten euphorische Menschenmassen die Plaza de Mayo im Stadtzentrum und bejubelten die Generäle. Es war der letzte Propagandaerfolg der Junta, die sich 1976 an die Macht geputscht hatte und an deren Händen das Blut Zehntausender Menschen klebte. Bald zeigte sich aber die Überlegenheit der hochgerüsteten Europäer. Buenos Aires mußte am 14. Juni 1982 kapitulieren. Das Abenteuer kostete 900 Soldaten das Leben, davon 649 Argentiniern. Der Jubel über die Eroberung schlug um in Wut auf die Junta, die im folgenden Jahr abtreten mußte.

30 Jahre später will Argentiniens Präsidentin Cristina Fernández die Forderung nach Rückgabe der Inseln »mit juristischer und diplomatischer Strenge« weiter verfechten. Bei einer Ansprache zur Wiederaufnahme ihrer Amtsgeschäfte nach der Behandlung eines Tumors unterstrich sie am 25. Januar, die damalige Eskalation habe auf beiden Seiten innenpolitische Gründe gehabt: »Hier wollte die Diktatur von der Tragödie der 30000 ›Verschwundenen‹ und einer verwüsteten Wirtschaft ablenken, und ihnen kam keine bessere Idee, als Jungs in einen selbstmörderischen Krieg zu schicken.« Heute sei die Forderung nach Wiederherstellung der argentinischen Souveränität über die Malwinen jedoch auch ein Kampf um den Schutz der Naturressourcen, »denn sie plündern unser Erdöl und unsere Fischbestände aus«. Als Erfolg konnte sie eine kurz zuvor von der südamerikanischen Staatengemeinschaft MERCOSUR bekräftigte Entscheidung verbuchen, Schiffen unter der »illegalen Flagge« der Falkland-Inseln das Anlaufen in die Häfen der Mitgliedsländer zu verbieten. Auch Brasiliens Außenminister Antonio Patriota bekräftigte bei einem Treffen mit seinem britischen Amtskollegen William Hague die Unterstützung seines Landes für die argentinische Position. Er erinnerte daran, daß sich die Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR) und die Lateinamerikanische und Karibische Staatengemeinschaft (CELAC) ebenfalls in dieser Weise geäußert hätten.

London lehnt unterdessen weitere Gespräche über den Status der Inseln ab und beantwortete die zahlreichen Stellungnahmen lateinamerikanischer Regionalorganisationen im Januar mit einer Resolution der Karibikgemeinschaft CARICOM, die von »zahlreichen Regierungschefs und Ministern« unterzeichnet worden sei, wie die Verwaltung der Falklands stolz vermeldete. Darin wird das »Selbstbestimmungsrecht« der Inselbewohner bekräftigt, das allerdings nicht von England, sondern von Argentinien angegriffen werde. Buenos Aires wies das Papier als »grotesk« zurück. Die »von Großbritannien abhängigen 15 Ministaaten« hätten zusammengenommen nur eine Wirtschaftskraft wie die Dominikanische Republik oder die beiden argentinischen Provinzen Córdoba und Santa Fé, kommentierte die staatliche Nachrichtenagentur Télam.

Erschienen am 2. Februar 2012 in der Tageszeitung junge Welt