Linke Regierung mit rechter Schlagseite

Uruguays Regierung hat sich dem Druck der anderen Mitglieder des Mercosur gebeugt und der Suspendierung Venezuelas zugestimmt. Zugleich bemüht sich Montevideo jedoch darum, die Beziehungen zu Caracas nicht noch weiter zu belasten. So erklärte das Außenministerium in Montevideo, Venezuela könne weiter an den Sitzungen des Bündnisses teilnehmen und mitdiskutieren, nur nicht mit abstimmen. Das ist eine Interpretation des Beschlusses, die von Argentinien, Brasilien und Paraguay nicht geteilt wird. Doch Staatschef Tabaré Vázquez und sein Außenminister Rodolfo Nin müssen zwischen den großen Nachbarn und ihrer eigenen Basis lavieren. Denn in Uruguay regiert das Linksbündnis Frente Amplio (Breite Front), und eine Reihe der dieser Allianz angehörenden Parteien hat bereits öffentlich gegen den Ausschluss Venezuelas protestiert.

Die linkssozialdemokratische »Bewegung 26. März« warnte vor negativen Folgen für den Außenhandel, wenn die »traditionelle Rechte« mit ihrem Angriff auf die regionale Integration Erfolg habe. Die Kommunistische Partei Uruguays (PCU) kritisierte die Entscheidung gegen Venezuela als »ungerecht und illegal«. Den »Respekt der Normen und institutionellen Garantien des Mercosur« durchzusetzen sei für Uruguay die einzige Sicherheit, seine Interessen gegenüber den Riesen Argentinien und Brasilien wahren zu können. Die frühere Stadtguerilla Tupamaros kritisierte die Haltung der Regierung als Nachgeben gegenüber der »politischen Absicht der Rechten«, die regionale Integration zu »untergraben«.

Uruguays Vizeaußenminister José Luis Cancela räumte am Dienstag (Ortszeit) ein, dass Venezuela »in einem anderen Kontext« wohl nicht ausgeschlossen worden wäre. Er verteidigte die Maßnahme jedoch als unumgänglich, weil Caracas übernommene Verpflichtungen nicht eingehalten habe. Dabei habe man Venezuela auf Ini­tiative Montevideos sogar eine sechsmonatige Fristverlängerung gewährt, so Cancela.

Dieser Argumentation widersprach der Gewerkschaftsdachverband PIT-CNT. Im Prozess der regionalen Integration müsse man anerkennen, dass jedes Land über »spezifische Besonderheiten« verfüge und deshalb Normen in unterschiedlicher Geschwindigkeit übernehme, heißt es in einem Kommuniqué der starken Arbeiterorganisation. Die Strafmaßnahme gegen Venezuela stelle einen »gefährlichen Präzedenzfall« dar, der die »Integration der Völker« gefährde. Der US-amerikanische Soziologe James Petras sprach am Montag gegenüber dem linken uruguayischen Rundfunksender CX 36 Radio Centenario sogar von einem »Krieg«, den Paraguay, Brasilien, Argentinien und Uruguay gegen Venezuela führten, »weil sie sich mit den USA vereinigen wollen«. Die Folge seien Sozialabbau, Privatisierungen und Privilegien für die transnationalen Großkonzerne, warnte Petras.

Wenig wahrscheinlich ist, dass eine für den heutigen Freitag anberaumte Sitzung des Führungsgremiums der Frente Amplio die Wogen glätten kann. Die Vorbehalte gegenüber Nin, der vor seinem Wechsel zur Linksallianz in den 90er Jahren mehr als ein Jahrzehnt lang hohe Posten in der rechten Nationalpartei bekleidet hatte, sind nicht neu. Im vergangenen Juni veröffentlichte er gemeinsam mit den Außenministern Chiles, Argentiniens und Kolumbiens eine Erklärung, in der von Venezuela die Durchführung eines Amtsenthebungsreferendums gegen Präsident Nicolás Maduro gefordert wurde. Diese »Blockbildung« mit den rechten Regierungen kritisierte in Montevideo Senator Leonardo De León von der »Liste 711« um Vizepräsident Raúl Sendic. Für Unmut sorgte auch, dass sich die Minister mit ihrem Statement auf die Seite von Luis Almagro gestellt hatten. Der Amtsvorgänger Nins und jetzige Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) hatte gefordert, die »Demokratie-Charta« der OAS gegen Venezuela anzuwenden und das Land somit aus der Organisation auszuschließen. PCU-Generalsekretär Eduardo Lorier hatte Almagro deshalb vorgeworfen, im Dienst des »Imperiums« zu stehen.

Nicht ohne Schadenfreude beobachtet die rechte Opposition die Auseinandersetzungen. Nin sitze »mit Marmelade in der Hose auf einem Ameisenhügel«, kommentierte der Nationalpartei-Senator Sergio Abreu schon im vergangenen Jahr die Lage seines ehemaligen Parteifreundes.

Erschienen am 9. Dezember 2016 in der Tageszeitung junge Welt