Latinos rücken vom Dollar ab

Selbst enge Verbündete Washingtons reagieren mittlerweile unruhig auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit der USA. »Lateinamerika sitzt auf einer Währungsreserve von 700 Milliarden US-Dollar«, warnte etwa Kolumbiens Staatschef Juan Manuel Santos. »Wir dürfen nicht weiter als Zuschauer verharren, während uns die Situation immer mehr angeht.« Wenn die Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR) oder Lateinamerika als Region irgendeine Bedeutung haben sollten, dann müßte dies jetzt der Fall sein, so Santos.

Über alle politischen Differenzen hinweg versuchen die Regierungen in Lateinamerika, sich auf die Möglichkeit vorzubereiten, daß die politischen Lager in den USA nicht mehr rechtzeitig zu einer Lösung im Schuldenstreit kommen. Für Donnerstag ist in Lima ein außerordentliches Gipfeltreffen aller südamerikanische Wirtschaftsminister geplant, bei dem mögliche Maßnahmen koordiniert werden sollen. Dazu gehören auch Initiativen wie die Bank des Südens oder die Einrichtung eines Regionalen Währungsreservenfonds, sagte Ecuadors Außenminister Ricardo Patiño dem Fernsehsender TeleSur. Im Gegensatz zu früher seien heute mehr Regierungen der Region daran interessiert, solche Mechanismen zu diskutieren. »Wir müssen auf die Risiken vorbereitet sein, denn eine Wirtschaftskrise könnte ungeahnte Folgen haben«, unterstrich Patiño.

Sein Chef, Ecuadors Präsident Rafael Correa, rief am Sonnabend während seiner wöchentlichen Fernsehsendung »Enlace Ciudadano« die Staatschefs der Region auf, eine gemeinsame regionale Währung einzuführen, um auf Situationen wie die jetzt in den USA drohende besser vorbereitet zu sein. Die lateinamerikanischen Ökonomien dürften nicht länger in derartiger Weise vom US-Dollar abhängig sein, forderte er.

Ecuador wäre von einer Finanzkrise in den USA besonders betroffen, da das Land im Jahr 2000 die eigene Währung abgeschafft und den US-Dollar als Zahlungsmittel übernommen hatte. Im vergangenen Jahr hatte die Bolivarische Allianz für die Völker Unseres Amerikas (ALBA), der auch Ecuador angehört, mit der Einführung des ­SUCRE als zunächst virtuellem Buchgeld einen ersten Schritt zur Einführung einer neuen Währung unternommen.

Erschienen am 1. August 2011 in der Tageszeitung junge Welt