Lafontaine und das F-Wort

Der FDP-Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff hat dem Fraktionsvorsitzenden der Linken im saarländischen Landtag, Oskar Lafontaine, vorgeworfen, »endgültig im Lager der Verschwörungstheoretiker angekommen« zu sein. Auch für Focus online ist klar: »Linker Lafontaine pöbelt gegen die Amerikaner«. Anlass für die Aufregung: Der frühere Parteichef der Linken und der SPD hatte am Dienstag morgen per Facebook unter anderem mit den Worten »Fuck the US-Imperialism« den Besuch von US-Verteidigungsminister Ashton Carter in Berlin kommentiert. Dieser hatte gestern angekündigt, dass Washington »vorübergehend« schweres Militärgerät in Osteuropa stationieren werde (jW berichtete).

Wörtlich schrieb Lafontaine: »Der US-Kriegsminister ruft die Europäer dazu auf, sich der russischen ›Aggression‹ entgegenzustellen. Dabei hätten die Europäer allen Grund, sich der Aggression der USA entgegenzustellen. Der Großmeister der US-Diplomatie, George Kennan, bezeichnete die Osterweiterung der NATO als den größten Fehler der US-Außenpolitik nach dem Zweiten Weltkrieg, weil sie einen neuen Kalten Krieg zur Folge habe. Die US-Diplomatin Victoria Nuland sagte, wir haben über fünf Milliarden Dollar aufgewandt, um die Ukraine zu destabilisieren. Sie zündeln immer weiter und Europa bezahlt mit Umsatzeinbrüchen im Handel mit Russland und dem Verlust von Arbeitsplätzen. ›Fuck the EU‹, sagte die US-Diplomatin Nuland. Wir brauchen eine europäische Außenpolitik, die den kriegstreibenden US-Imperialismus eindämmt! Fuck the US-Imperialism!«
Krimisommerabo

Mit dem F-Wort griff der Politiker also ausdrücklich Äußerungen von Barack Obamas Europaberaterin Victoria Nuland vom Februar 2014 auf, mit denen diese während eines privaten Gesprächs dem US-Botschafter in der Ukraine, Geoffrey Pyatt, ihre Meinung über die Europäische Union gesagt hatte.

Doch so weit reicht das Erinnerungsvermögen Lambsdorffs nicht. Wer nichts besseres zu tun habe, »als den USA Aggression und Kriegstreiberei zu unterstellen, diskreditiert sich selbst«, so einer der letzten deutschen »Liberalen« in einem Parlament. Lafontaine lasse sich »bereitwillig in Putins Desinformationskampagne einspannen«, so der Graf, während man selbst »auf den Erfolg der transatlantischen Partnerschaft, die Deutschland über Jahrzehnte Frieden und Freiheit gesichert hat,« baue.

Erschienen am 23. Juni 2015 in der Onlineausgabe der Tageszeitung junge Welt