Kuckucksei für Mnuchin

Das US-Finanzministerium hat Venezuelas Vizepräsidenten Tareck El Aissami auf eine Liste angeblicher »Drogenbosse« gesetzt. Unmittelbar vor der Vereidigung des neuen Ressortchefs Steven T. Mnuchin teilte das Ministerium am Montag (Ortszeit) mit, El Aissami sowie der mit ihm verbundene Unternehmer Samark José López und dessen Firmen hätten den internationalen Rauschgiftschmuggel unterstützt und dazu ein mehrere amerikanische und europäische Länder umfassendes Netzwerk aufgebaut. Bürgern der USA ist es künftig generell verboten, Beziehungen mit den genannten Personen und ihren Unternehmen zu pflegen.

Mit der Verhängung von Sanktionen gegen den Stellvertreter von Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro verschärft die US-Administration erneut den Kurs gegenüber dem südamerikanischen Land. Im vergangenen Jahr war bereits der venezolanische Innenminister Néstor Reverol auf die 1999 von William Clinton beschlossene Aufstellung mutmaßlicher »ausländischer Drogenbosse« gesetzt worden. Zudem hatte Barack Obama im Januar noch kurz vor seinem Ausscheiden aus dem Präsidentenamt erneut das Dekret verlängert, mit dem er Venezuela 2015 zu einer »außergewöhnlichen Bedrohung für die nationale Sicherheit und die Außenpolitik der Vereinigten Staaten« erklärt hatte.

Caracas reagierte erst mit mehrstündiger Verspätung auf die Nachrichten aus Washington. Die führenden Politiker Venezuelas waren am Montag mit dem Besuch einer hochrangigen Wirtschaftsdelegation aus der Volksrepublik China beschäftigt, die unter anderem von El Aissami im »Gelben Haus«, dem Sitz des Außenministeriums, empfangen wurde. Beide Länder unterzeichneten einem Bericht des Fernsehsenders Telesur zufolge 22 neue Kooperationsabkommen und bekräftigten ihre enge Verbundenheit. Erst am Dienstag morgen meldete sich der Vizepräsident per Twitter zu Wort. »Persönlich werte ich diese miserable und infame Aggression als Anerkennung meines Charakters als revolutionärer Antiimperialist«, schrieb El Aissami über den Kurznachrichtendienst. »Lassen wir uns von diesen Provokationen nicht ablenken. Konzentrieren wir uns auf die Prioritäten der revolutionären Regierung: Erholung und Wachstum der Wirtschaft sowie die Garantie des Friedens und des sozialen Glücks.«

Unklar ist, ob die aktuelle Provokation gegen die Bolivarische Republik tatsächlich direkt auf das Konto der neuen Administration von US-Präsident Donald Trump geht, oder ob sie als ein weiteres »Kuckucksei« seiner Vorgänger zu gelten hat. Auf eine jW-Anfrage, ob Mnuchin in die offenkundig vor seinem Amtsantritt getroffene Entscheidung, El Aissami zum »Drogenboss« zu erklären, involviert war und ob er sie unterstütze, gab es von seiten des US-Finanzministeriums zunächst keine Antwort. Die Nachrichtenagentur Reuters zitierte namentlich nicht genannte Beamte mit der Aussage, die Maßnahmen hätten nichts mit seiner politischen Rolle zu tun, sondern seien »ein Ergebnis jahrelanger Ermittlungen«. Sie richteten sich auch nicht gegen Venezuela. Vertraulich scheinen diese angeblichen Nachforschungen allerdings nicht gewesen zu sein – das Wall Street Journal führte El Aissami bereits 2005 in einem Bericht über US-Ermittlungen gegen venezolanische Funktionäre auf, die das Land zu einem »globalen Kokain-Umschlagplatz« gemacht hätten. Auch andere Spitzenfunktionäre wurden in US-Medien immer wieder mit Drogengeschäften in Verbindung gebracht, so Diosdado Cabello, der Vizechef der Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV). Beweise wurden praktisch nie vorgelegt.

Erschienen am 15. Februar 2017 in der Tageszeitung junge Welt und in der Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek