Krieg gegen Kinder

US-Präsident Donald Trump hat am Dienstag (Ortszeit) ein Dekret um weitere zwölf Monate verlängert, in dem Venezuela als »außergewöhnliche Bedrohung für die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten« bezeichnet wird. Die im März 2015 von Trumps Amtsvorgänger Barack Obama erlassene Verordnung öffnete die Tür für die immer länger werdende Reihe von Strafmaßnahmen Washingtons gegen das südamerikanische Land. Bereits zuvor hatte der US-Kongress im Dezember 2014 ein »Gesetz zur Verteidigung der Menschenrechte und der Zivilgesellschaft in Venezuela« verabschiedet, das die rechtliche Grundlage für die Sanktionen legte.

Anfang 2015 setzte die Obama-Administration die ersten sieben Beamten aus Venezuela auf ihre Sanktionsliste, inzwischen ist diese auf mehr als 100 Personen angewachsen. Neben Angehörigen der Sicherheitskräfte und der Regierung traf es auch missliebige Beamte des Nationalen Wahlrats und der venezolanischen Justiz. Offiziell heißt es, dass sich die Maßnahmen nur gegen Personen richte, die an Menschenrechtsverletzungen oder Korruption beteiligt gewesen seien. Die Bevölkerung Venezuelas werde nicht beeinträchtigt, versicherte die US-Administration immer wieder.

Wirtschaft getroffen

Tatsächlich aber treffen die Sanktionen Venezuelas Wirtschaft. Mit den auf der Liste erscheinenden Personen dürfen Bürger und Firmen der Vereinigten Staaten keine Geschäfte mehr machen. Damit scheiden jedoch nahezu alle staatlichen Unternehmen des südamerikanischen Landes als Kunden für US-Unternehmen aus, denn wenn Verträge z. B. vom venezolanischen Wirtschaftsminister unterzeichnet würden, wäre die Beziehung illegal, den US-Bürgern drohen hohe Strafen.

Verschärft wurde die Lage ab 2017, als Trump direkte Finanzsanktionen gegen Caracas verhängte. Seither dürfen Banken und Kreditinstitute in den USA keine neuen Abkommen mit der venezolanischen Regierung oder dem staatlichen Erdölkonzern PDVSA abschließen. Da das internationale Finanzsystem jedoch überwiegend über Nordamerika läuft, sind auch Banken aus Drittstaaten von den US-Sanktionen betroffen. Das werde es Caracas sehr schwer machen, neue Finanzierungsmöglichkeiten zu finden oder Aktien zu verkaufen, sagte der venezolanische Wirtschaftswissenschaftler Alejandro Grisanti damals der britischen BBC. Zudem wurde der PDVSA-Tochter Citgo, die in den USA Raffinerien und Tausende Tankstellen betreibt, die Überweisung von Gewinnen nach Venezuela verboten. 2018 weitete Washington die Sanktionen auf Goldexporte und weitere Bereiche der venezolanischen Wirtschaft aus. Auch die Europäische Union trägt mit eigenen Handelsbeschränkungen das ihrige zur Verschärfung der Krise in Venezuela bei.

Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, kritisierte am Mittwoch in Genf eine sich beschleunigende Abwärtsspirale aus Protesten und Repression in Venezuela: »Diese Situation ist durch die Sanktionen verschärft worden, und die daraus resultierende politische, wirtschaftliche, soziale und institutionelle Krise ist alarmierend.« Schon im vergangenen April hatten die UN-Experten Alfred de Zayas und Idriss Jazairy nach einem Besuch in Venezuela angeprangert, dass die Strafmaßnahmen direkt die Bevölkerung treffen. »Die Sanktionen töten«, warnte de Zayas bei einer Pressekonferenz in Genf. »Sie sind geopolitische Verbrechen, die direkt zum Tod von Kindern durch Unterernährung führen. In Venezuela sterben Kinder, weil sie wegen der Sanktionen und der Blockade keine Lebensmittel oder Medikamente bekommen.« Venezuela müsse geholfen werden, »und dazu muss man mit der Regierung und mit den internationalen und regionalen Organisationen für Ernährung, Gesundheit usw. zusammenarbeiten«, verlangte er.

Milliarden Dollar gesperrt

In einem Interview mit der BBC wies Venezuelas Präsident Nicolás Maduro am 12. Februar darauf hin, dass nicht nur die Trump-Administration zehn Milliarden US-Dollar von venezolanischen Konten »entführt« habe. Seit vielen Monaten blockiere auch der britische Finanzdienstleister Euroclear rund 1,4 Milliarden US-Dollar, »Geld, das zum Kauf von Ersatzteilen, Lebensmitteln, Medikamenten bestimmt ist«. Wer Venezuela helfen wolle, müsse diese Milliarden freigeben und keine »billige Show« veranstalten.

Ende Februar berichtete die Nachrichtenagentur AP, wie der Wirtschaftskrieg gegen Venezuela das Leben von Kindern in Gefahr bringt. Mindestens neun schwerkranke Kinder, unter ihnen der zwölfjährige Jesús Acosta, sollten in Spanien operiert werden, weil die notwendige Behandlung in ihrer Heimat nicht möglich war. Finanziert wurde das bislang durch die Simón-Bolívar-Stiftung in Houston, einem Ableger von Citgo. Im Februar erhielt der Vater des kleinen Jesús jedoch ein Schreiben der Stiftung, indem ihm mitgeteilt wurde, dass es die neuen Bestimmungen Washingtons untersagen, weiter für die Heilung des Jungen aufzukommen. Vater und Sohn sollten nach Hause zurückkehren, ein Flugticket lag bei. Doch für den Jungen würde nicht nur die anstrengende Reise Lebensgefahr bedeuten – es wäre auch nicht sicher, ob er in Venezuela die notwendigen Transfusionen erhalten könnte. Wie AP berichtet, ist zunächst die Klinik für die Unterbringungskosten eingesprungen, und man habe von der Stiftung auch genügend Geld erhalten, um die noch verbleibende medizinische Betreuung der neun Kinder zu bezahlen. Doch für andere, die in Venezuela auf Hilfe warten, ist dieser Weg nun versperrt.

Erschienen am 7. März 2019 in der Tageszeitung junge Welt