Korrupte Kader

Neun Länder Lateinamerikas nennt die Süddeutsche Zeitung im Zusammenhang mit den »Panama Papers«. Bei acht davon geht es um »Staatschefs, zu denen Spuren zu Offshorefirmen in den Panama Papers auftauchen«, wie es verschwurbelt auf der Homepage des Blattes heißt. Ein Land ist jedoch knallrot markiert und gehört damit zu der Liste von »Staatschefs, die in Verbindung mit mindestens einer Offshorefirma direkt in den Panama Papers auftauchen«. Gemeint ist Argentiniens Präsident Mauricio Macri. Der millionenschwere Unternehmer gehörte demnach zwischen 1998 und 2009 dem Direktorium einer auf den Bahamas registrierten Briefkastenfirma namens »Fleg Trading Ltd.« an – gemeinsam mit seinem Vater und seinem Bruder. Doch der Staatschef ist sich keiner Schuld bewusst. Sein Regierungssprecher erklärte noch am Sonntag (Ortszeit), Macri sei an dem Unternehmen nicht beteiligt gewesen. Die Investmentfirma habe lediglich zum Unternehmensgeflecht der Familie Macri gehört, deshalb habe der heutige Präsident »gelegentlich« als Direktor fungiert, jedoch keine Dividenden kassiert. Trotzdem forderte Alicia López, eine bekannte Expertin für den Kampf gegen Geldwäsche, in der argentinischen Tageszeitung La Nación die Justiz zu Ermittlungen gegen den Präsidenten auf. Ihrer Ansicht nach hätte Macri seine Beteiligung an dem Unternehmen angeben müssen, auch wenn er keine Anteile besessen habe.

Für die spanische Zeitung El País ist im Zusammenhang mit den »Panama Papers« ein anderes Land fast wichtiger. In 241.000 »geleakten« Dokumenten tauche das Wort »Venezuela« auf, so das Blatt am Montag in seiner Onlineausgabe. Genannt wird in diesen unter anderem ein früherer Direktor des staatlichen Erdölkonzerns PDVSA, Jesús Villanueva. Der wollte offenbar sein Vermögen in Sicherheit bringen, bevor er 2009 in den Ruhestand ging. Auf Internetseiten der Opposition wurde er noch Jahre später als jemand gefeiert, der die Korruption der »Chavistas« im Ölkonzern angeprangert habe. Ein anderer Name, der im Zusammenhang mit den Enthüllungen genannt wird, ist der von Víctor Cruz Weffer, einem ehemaligen Oberbefehlshaber der venezolanischen Armee. Als Beleg für die Verwicklung der venezolanischen Regierung in schmutzige Machenschaften kann er jedoch kaum dienen: Cruz Weffer wurde bereits Ende 2001 entlassen. 2007 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage wegen illegaler Bereicherung und mangelnder Offenlegung finanzieller Interessen gegen den Offizier. 2011 wurde er in erster Instanz freigesprochen, das Verfahren ist jedoch bislang nicht abgeschlossen. Ein anderer Name ist der von Adrián Velásquez Figueroa, der als ehemaliger Chef der Leibwache von Hugo Chávez gehandelt wird. 2013 setzte dieser sich mit seiner Frau Claudia Patricia Díaz Guillén, der früheren Chefin des Nationalen Schatzamtes, aus Venezuela ab und lebt seither im bequemen Exil in der Dominikanischen Republik.

Die politischen Folgen der Enthüllungen für Venezuela dürften sich in Grenzen halten. Anders ist die Lage in Peru. Wenige Tage vor der Präsidentschaftswahl am kommenden Sonntag tauchen in den Unterlagen die Namen von zwei der wichtigsten Finanziers der in den Umfragen führenden Kandidatin Keiko Fujimori auf: Jaime Yoshiyama Tanaka, ehemaliger Minister unter Keikos Vater Alberto Fujimori, und sein Neffe. Auch ihr bislang schärfster Konkurrent Pedro Pablo Kuczynski wird in den Dokumenten genannt, ebenso die Expräsidenten Alan García und Alejandro Toledo, die ebenfalls kandidieren, in den Umfragen jedoch abgeschlagen sind. Profitieren könnte von diesen Enthüllungen die nicht betroffene Verónika Mendoza. Die Vertreterin der linken Frente Amplio hat in den vergangenen Wochen aufgeholt und lag in den letzten Umfragen gleichauf mit Kuczynski auf dem zweiten Platz, der den Einzug in die Stichwahl bedeuten würde.

Erschienen am 5. April 2016 in der Tageszeitung junge Welt