Koordinierter Angriff

Offenbar wegen eines Hackerangriffs mußte die Enthüllungsplattform Wikileaks in der Nacht zum Mittwoch ihre zentrale Homepage zeitweilig abschalten. Gegen ein Uhr nachts teilten die Aktivisten über den Kurznachrichtendienst Twitter mit, die Seite werde angegriffen. Etwa drei Stunden später war sie wieder erreichbar, begleitet von dem ironischen Kommentar »Netter Versuch!«

Der Angriff auf die Seite war offenbar eine Reaktion darauf, daß Wikileaks am vergangenen Freitag auf einen Schlag fast 140000 neue Geheimdokumente aus dem US-Außenministerium im Internet veröffentlicht hatte. Bislang waren lediglich rund 5000 von insgesamt einer Viertelmillion Dokumente für jedermann abrufbar. So hatten einige große Medien wie der deutsche Spiegel, der britische Guardian oder die französische Le Monde als »Kooperationspartner« von Wikileaks praktisch exklusiven Zugriff auf die Papiere, die von Botschaften und Konsulaten der USA nach Washington geschickt worden waren. Diese hatten in den vergangenen Monaten jedoch die weitere Veröffentlichung der Dokumente weitgehend eingestellt.

Praktisch zeitgleich mit dem Hackerangriff auf Wikileaks trat das State Department in Washington an die Öffentlichkeit und warf dem Dienst erneut vor, mit der Veröffentlichung der Dokumente die Sicherheit von Informanten zu gefährden. Wikileaks wies das zurück.

Zu den jetzt verbreiteten Depeschen gehört der Bericht des damaligen Chefs der US-Interessenvertretung in Havanna, Jonathan D. Farrar, der sich im August 2008 ein Bild über die angebliche Zensierung des Internets in Kuba machen wollte und deshalb zusammen mit Kollegen mehrere Internetcafés und Hotels in der kubanischen Hauptstadt besuchte. Neben den üblichen Schwierigkeiten, daß hier mal ein Café geschlossen und dort der vorhandene Computer defekt war, mußte der Diplomat frustriert feststellen, daß sowohl die Homepage seines Ministeriums als auch der komplette Jahresbericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International oder die Onlineausgaben der New York Times und der problemlos abrufbar waren. Lediglich die Seiten einiger US-gesponserter Gruppierungen des kubanischen Untergrunds seien nicht erreichbar gewesen, notierte Farrar.

Erschienen am 1. September 2011 in der Tageszeitung junge Welt